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Corona Salzlandkreis: Kinder gegen Corona impfen?

Beim Arzt können Kinder ab 12 Jahren gegen Corona geimpft werden. Eine allgemeine Empfehlung gibt die zuständige Kommission aber nicht. Vielfältige Meinungen bei bei Eltern aus Staßfurt und dem Salzlandkreis.

Von Jan Dahms und Enrico Joo Aktualisiert: 28.06.2021, 16:40
Das Impfen von Kindern ab 12 Jahren gegen Corona ist jetzt möglich. Eltern entscheiden dies.
Das Impfen von Kindern ab 12 Jahren gegen Corona ist jetzt möglich. Eltern entscheiden dies. Foto: Ajit Solanki/AP/dpa

Schönebeck/Staßfurt - Die Quote der Erstimpfungen gegen das Coronavirus steigt auch in Sachsen-Anhalt. Nach Angaben des Landes haben zum Ende letzter Woche 48 Prozent der Sachsen-Anhalter die Erstimpfung erhalten. Die Impfpriorisierung wurde am 7. Juni aufgehoben. Seitdem kann sich also jeder Erwachsene um einen Impftermin bemühen.

Impfungen für Kinder von 12 bis 15 Jahren in Arztpraxen möglich

Die Situation bei den Kindern sieht momentan etwas anders aus. Wie das Gesundheitsministerium des Landes informiert, sind seit letzter Woche Impfungen für Kinder und Jugendliche von 12 bis 15 Jahren ausschließlich über Arztpraxen möglich. Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) rät: „Wer als Elternteil eine Impfung für sein Kind wünscht, sollte sich im Vorfeld durch den Kinderarzt seines Vertrauens beraten lassen.“

Meinungen der Eltern sind facettenreich

Die Entscheidung für oder gegen eine Coronaschutzimpfung der eigenen Kinder liegt also aktuell bei den Eltern, in der Absprache mit dem behandelten Kinderarzt. Die Meinungen zu dem Thema sind bei den Eltern in der Region vielfältig.

Anja Schröter aus Staßfurt hat unter anderem eine 13-jährige Tochter. Sie will noch abwarten. „In unserer Familie ist das kein Thema. Es ist zu wenig bekannt über Folgeschäden und Nebenwirkungen. Gerade bei Frauen gibt es mehr Reaktionen als bei Männern“, sagt Schröter. „Ich bin kein Impfgegner, aber mir fehlt die Überzeugung. Als Eltern ist es unsere Pflicht, das Für und Wider abzuwägen, weil Kinder es in diesem Alter noch nicht selbst einschätzen können.“

Ähnlich sieht es Patricia König. Sie hat einen 15-jährigen Sohn, der bald 16 wird: „Das ist mir noch zu unsicher. Es gibt nicht genug Langzeitstudien bei Kindern. Am Ende muss der Junge in dem Alter aber selbst entscheiden. Wir haben noch nicht ausführlich darüber gesprochen. Ich selbst bin bereits geimpft.“

Karl-Heinz Burbank aus Biere will beispielsweise mit der Impfung seiner 13-jährigen Tochter noch abwarten, bis von der Stiko die Empfehlung kommt. „Wir wollten vor ein paar Wochen unsere Tochter impfen lassen. Die Ärztin hat aber davon abgeraten, es war noch nicht klar, welche Nebenwirkungen es geben könnte“, erzählt Burbank.

Bei Daniel Seidel hängt die Entscheidung mit dem zugelassenen Impfstoff zusammen. „Wir würden unseren Jugendlichen mit einem für diese Altersgruppe zugelassenen Impfstoff impfen lassen“, sagt der Vater eines 13-jährigen Sohnes. Er schätze etwa die Risiken der Impfung geringer ein, als mögliche, längerfristige Probleme einer Corona-Erkrankung, meint Daniel Seidel.

Stiko: Keine allgeimeine Empfehlung für Impfungen der Kinder zwischen 12 und 17 Jahren

Sachsen-Anhalt hält sich weitestgehend an die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) beim Robert-Koch-Institut. Diese hatte am 10. Juni keine allgemeine Impfempfehlung für Kinder zwischen 12 und 17 Jahren ohne Vorerkrankungen herausgegeben. Eine Impfung gegen das Coronavirus sei in dieser Altersgruppe aber „nach ärztlicher Aufklärung und bei individuellem Wunsch und Risikoakzeptanz möglich,“ so die Stiko. Eine Impfung für Kinder mit Vorerkrankungen wird dagegen von der Kommission empfohlen. Die Entscheidung begründet die Stiko unter anderem damit, dass „Kinder nicht die Treiber des Pandemiegeschehens“ sind. Hinsichtlich der Sicherheit des Impfstoffs bestehen, laut Kommission, trotz hoher Effektivität noch Wissenslücken für diese Altersgruppe. In der Zulassungsstudie sei die Nachbeobachtungszeit nach Impfung zu kurz und die Zahl der getesteten Kindern zu gering, so die Stiko.

Dipl.-Med. Helga Fritzsche, Fachärztin für Kinderheilkunde
Dipl.-Med. Helga Fritzsche, Fachärztin für Kinderheilkunde
Foto: Jan Dahms

Kinder mit Vorerkrankungen werden priorisiert

Die Schönebecker Kinderärztin Helga Fritsche begrüßt die vom Gesundheitsministerium beschlossenen Impfregelungen für Kinder. „Nur die Ärzte haben genauen Überblick über die Vorerkrankungen der Kinder“, meint sie. Deshalb sei sie gegen eine Impfung von Kindern in Impfzentren, so die Kinderärztin. Für Kinder ab 12 Jahren wurde Ende Mai der Impfstoff von Biontech zugelassen. Auch in der Kinderarztpraxis von Helga Fritsche wird dieser Impfstoff verimpft, aber erst einmal nicht an jeden Patienten. „Kinder mit Vorerkrankungen werden priorisiert“, gibt die Ärztin an.

Problem: Zu wenig Impfstoff vorhanden

Auf der Liste der Vorerkrankungen bei Kindern, für die die Ständige Impfkommission eine Coronaschutzimpfung empfiehlt, steht beispielsweise starkes Übergewicht, eine Erkrankung des Immunsystems und schwere Herzkrankheiten. Man habe auf dieser Grundlage deshalb Reihenfolge-Listen mit Patienten erstellt, die man jetzt nach und nach abarbeite, erklärt Fritzsche. Das sei ein „„ziemlich großer Aufwand“, fasst sie zusammen. Denn es gibt noch ein weiteres Problem: Es gibt zu wenig Impfstoff. Nach wie vor werde zu wenig Impfstoff geliefert, um die priorisierten Patienten auf der Liste schnell zu impfen, sagt die Kinderärztin. Aktuell könne sie deshalb nur bis zu zwölf Impfungen in der Woche durchführen, schildert sie. Nach ihren Angaben ist in ihrer Praxis die Nachfrage nach Impfstoff vor allem bei älteren Jugendlichen ab 16 Jahren relativ hoch. Bei Kindern unter 16 Jahren dagegen noch sehr verhalten. Über die Impfsituation seinen die Eltern und Schüler aber „sehr gut informiert“, findet Helga Fritzsche.

Hausarzt: Der Fokus sollte weiter bei älteren Menschen liegen

Nach der Einschätzung des Schönebecker Hausarztes, Dr. Burkhard John, sei aktuell eine Impfung „für gesunde Kinder nicht unbedingt notwendig“. Der Fokus sollte weiter bei älteren Menschen liegen. „Immer noch sind 70 bis 80-jährige nicht geimpft. Sie sollten das tun.“

Informationen des RKI zur Corona-Impfung für Kinder und Jugendliche von 12 bis 17 Jahren

Ende Mai wurde der Impfstoff von Biontech von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) auch für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren zugelassen.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt die Corona-Impfung mit Biontech/Pfizer derzeit nicht für alle Kinder und Jugendlichen von 12 bis 17 Jahren.

Zur Sicherheit der Impfung bei Kindern gibt es bislang noch zu wenig Daten und Erfahrungen.

Bei einer Corona-Infektion von gesunden Kindern ist der Corona-Krankheitsverlauf meist mild oder sogar ohne erkennbare Symptome

Empfohlen wird die Impfung für Kinder ab 12 Jahren mit bestimmten Vorerkrankungen, im Umfeld von gefährdeten Personen, die sich selbst nicht schützen können und mit arbeitsbedingt erhöhtem Infektionsrisiko, wie beispielsweise Altenpfleger

Die Impfung bei diesen Vorerkrankungen ist empfohlen (Auszug):

starkes Übergewicht, angeborene oder erworbene Erkrankungen des Immunsystems, angeborene Herzfehler, schwere Herzschwäche, schwere Verengung der Lungengefäße, chronische Lungenerkrankungen mit einer anhaltenden Einschränkung der Lungenfunktion, chronische Nierenschwäche oder Nierenversagen.

Für unter 12-jährige Kinder ist noch kein Impfstoff zugelassen.

Mehr Informationen auf der Website des Robert Koch Instituts.