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Bestattungen Sinken die Friedhofsgebühren?

Staßfurt muss Gebühren für Friedhöfe neu kalkulieren. Es wurden Punkte ausgearbeitet, die sich gebührenmindernd auswirken können.

Von Enrico Joo 19.03.2021, 01:00

Staßfurt l Die Friedhofskultur in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Auch in Staßfurt. Statt Erd- bestattungen gibt es auch in der Bodestadt fast nur noch Urnenbestattungen. Die grüne Wiese für anonyme Bestattungen wird dabei immer häufiger gewählt. Dazu gibt es auf den Friedhöfen in der Hohenerxlebener Straße und in Förderstedt seit einiger Zeit auch halbanonyme Gräber sowie Paaranlagen, die die Stadt Staßfurt pflegt. Diese neuen Bestattungsformen gibt es auch, weil viele Verstorbene keine Angehörigen mehr vor Ort haben, sich somit niemand mehr um das Grab kümmern kann.
In Staßfurt müssen die Friedhofsgebühren in 2021 neu kalkuliert werden. Die letzte Neukalkulation gab es 2017. Die Kalkulation in diesem Jahr wird dazu genutzt, zahlreiche Einspar- und Entwicklungspotenziale einzuarbeiten. Eine Arbeitsgruppe mit Mitgliedern aller Fraktionen im Stadtrat wurde dazu gegründet, die der Oberbürgermeister Sven Wagner (SPD) im Auftrag des Stadtrats ins Leben gerufen hatte. Diese tagte bisher zweimal.
Mitarbeiter der Stadtverwaltung haben mehrere Möglichkeiten ausgearbeitet, wie bei den Friedhöfen in Staßfurt eingespart und entwickelt werden kann.
Erste Möglichkeit: Der Rückbau abgelaufener und verwahrloster Grabstellen wird konsequenter verfolgt, um Bewirtschaftungskosten zu reduzieren. Beim Friedhof in der Hecklinger Straße ist der Rückbau schon gut fortgeschritten. Die Pflege wird günstiger, wenn es einheitlichere Wiesenflächen gibt.
Zweite Möglichkeit: Sowohl die Nutzungszeit als auch die Ruhezeit werden von 40 auf 15 Jahre reduziert. Das ist die gesetzlich vorgesehene Frist. „Das würde längerfristig einen schnelleren Grabfeldrückbau ermöglichen, welcher zu einem kostengünstigeren Pflegeaufwand in der Grünflächenpflege führen würde. Dies hätte eine gebührenreduzierende Auswirkung auf die Friedhofsnutzer“, heißt es von der Stadt.
Dritte Möglichkeit: Um den städtischen Pflegeaufwand zu reduzieren, werden Flächen zu Ausstellungs- und Werbeflächen für Steinmetze umgestaltet. Die Steinmetze wären dann für die Pflege dieses Abschnittes zuständig.
Vierte Möglichkeit: Es wird in der Gebührenkalkulation keine Sicherheitsreserve mehr für die Flächenerweiterung angelegt, weil diese Erweiterung schlichtweg nicht mehr notwendig ist. Die Reserve beträgt bisher 30 Prozent.
Fünfte Möglichkeit: Bestattungsleistungen werden an Bestattungsunternehmen übertragen. Die Bestatter in Staßfurt wurden dabei bereits kontaktiert. Es geht um Aufgaben wie das Grab für die Bestattung zu öffnen, das Schließen des Grabes, den Blumentransport oder das Schmücken des Grabes nach der Beerdigung. Das hat bisher der Stadtpflegebetrieb gemacht. „In Kommunen wie Hecklingen oder Egeln machen das die Bestatter schon lange“, sagt Fachdienstleiterin Susanne Epperlein. Staßfurt würde nachziehen. Die Hinterbliebenen würden die Rechnung dann nicht mehr von der Stadt, sondern vom Bestattungsunternehmen bekommen.
Sechste Möglichkeit: Friedhofsgärtnerische Leistungen werden an Dritte ausgelagert. Der Friedhof in Atzendorf könnte ab 2022 ein Testballon werden. Über einen Zeitraum von drei Jahren soll beobachtet werden, wie sehr sich das gebührenmindernd auswirken könnte. Der Friedhof in Atzendorf hat eine mittlere Größe und mittlere Unterhaltungskosten und eignet sich daher gut für den Test.
Großes Problem in Staßfurt ist, dass sowohl Nutzungs- als auch Ruhezeit 40 Jahre betragen. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Kommunen wie Aschersleben, Schönebeck oder Bernburg haben die Zeiten schon reduziert, Staßfurt will nachziehen. „Für viele Bürger sind 40 Jahre unüberschaubar. Familien hätten gern eine kürzere Zeitspanne“, sagt Epperlein. Daher die Reduzierung auf 15 Jahre. Mit der Option, danach alle fünf Jahre für fünf Jahre zu verlängern. „Ich denke, dass viele auf dieses Angebot eingehen werden“, so Epperlein. „Wir hören immer wieder, dass Bürger die Entscheidung für die grüne Wiese bereuen, weil ein konkreter Ort zur Trauerbewältigung fehlt.“
Ob es bei den Friedhofsgebühren und Bestattungen tatsächlich eine Kostenersparnis für die Bürger gibt und wie hoch die ausfällt, hängt auch davon ab, wie der Stadtrat sich zum Kostendeckungsgrad verhält. „Dieser liegt derzeit bei 60 Prozent“, erklärt Oberbürgermeister Wagner. „Das bedeutet, dass 60 Prozent der Friedhofsgebühren vom Bürger getragen werden, den Rest zahlt die Stadt.“ Denkbar ist, dass der Kostendeckungsgrad erhöht wird oder sogar auf 100 Prozent geht, was bedeuten würde, dass die Bürger die Friedhofsgebühren komplett tragen. Aber auch in dem Fall besteht die Möglichkeit, dass sich die Gebühren aufgrund der Einsparpotenziale verringern. Der Kostendeckungsgrad von 60 Prozent wurde 2017 vom Stadtrat festgelegt.
Der Stadtrat soll am 24. Juni über die Einspar- und Entwicklungspotenziale abstimmen. Großer Widerstand ist aber nicht zu erwarten, weil alle Fraktionen in der Arbeitsgruppe die Ideen mitgetragen haben. „Ich denke, dass wir uns mit dem Konzept an die tatsächliche Lebenssituation anpassen“, sagt Sven Wagner. Denn auch der Stadtchef findet die bisherige Nutzungs- und Ruhezeit zu lang.
Wenn alles gut läuft, könnten die neuen Gebühren schon am 1. Januar 2022 in Kraft treten. Ansonsten kommen diese im Laufe des Jahres 2022.