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Ablagerungen „Staßfurter Staub“ bleibt ungelöste Frage

Genau vor einem Jahr hat es wieder „Staub“ auf Staßfurt abgeregnet. Wie ist der Stand der Sonderuntersuchung zu den rostigen Ablagerungen beim Umweltministerium? Betroffene berichten von neuen Ereignissen.

Von Franziska Richter 05.08.2021, 18:08
Die Vogeltränke im Garten von Frank Seifert, der in der Förderstedter Straße, Ecke Calbesche Straße wohnt, ist rostig rot und hat eine schmierige Substanz. Das Foto hat er am 22. Juli gemacht.
Die Vogeltränke im Garten von Frank Seifert, der in der Förderstedter Straße, Ecke Calbesche Straße wohnt, ist rostig rot und hat eine schmierige Substanz. Das Foto hat er am 22. Juli gemacht. Foto: F. Seifert

Staßfurt - Ein ganzes Jahr war Ruhe. Niemand hat mehr über rostige Ablagerungen auf seinem Auto, auf Gartenmöbeln oder Fensterrahmen geklagt. Heute scheint es einen anderen Stand zu geben. Frank Seifert hat vor zwei Wochen etwas Neues an der Vogeltränke in seinem Garten beobachtet. Er wohnt Calbesche, Ecke Förderstedter Straße und war wegen der Sache schon im Fernsehen.

„Schmierige Pampe“

„Ich hatte die Vogeltränke sauber gemacht und nach einer Woche war sie wieder rot. Es ist eine schmierige Pampe drin. Irgendetwas ist schon wieder im Gange“, sagt er. Für den Rest sei es schwierig, auf seinem Auto oder auf den Fensterbänken festzustellen, ob die kleinen Flecken neu sind oder von vor einem Jahr. Wenn er mit seinem Hund spazieren geht, riecht es nach Eisen, Rost und Verbrennung. Den Landesbehörden meldet er die Vermutung über einen neuen Vorfall nicht. „Ich habe von den Behörden nichts mehr gehört und nie eine Antwort bekommen.“

Das Problem: Eine bisher unbekannte Substanz oder Mischung verschiedener Substanzen frisst sich so tief in den Autolack, dass es sich um einen Totalschaden handelt. Die Autobesitzer bleiben auf dem Schaden sitzen – einen Verursacher gibt es nicht. Dazu kommt die Angst vor gesundheitlichen Schäden: Was atmet man als Anwohner des betroffenen Wohngebiets ein, das manchmal so metallisch riecht und Kopfschmerzen verursacht?

Neue Spuren im Garten?

Landtagsabgeordneter Matthias Büttner (AfD) wohnt selbst dort und prüft auf Nachfrage seinen Garten. Er meint: „Es ist schwer zu sagen. Das Thermometer ist wieder dreckig, aber das könnten auch Flecken von letzten Jahr sein. Allerdings ist auf der Skulptur am Pool wieder etwas drauf und die war Anfang des Jahres sauber.“

Auch das könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich auch in den letzten Wochen wieder etwas von der eisenhaltigen, ätzenden Substanz abgesetzt hat. „Das muss man jetzt weiter beobachten“, so Büttner. Der metallische Geruch in der Luft sei insgesamtweniger geworden.

Ein Firmeninhaber in der Nähe erklärt, er habe nicht geschaut, ob wieder etwas auf sein Grundstück „abgeregnet“ ist. Er kümmere sich jetzt nicht mehr um die Sache – es passiere ja sowieso nichts.

Viele Autos betroffen

Heute finden sich in Förderstedter, Calbescher Straße und am Friedensring überall Spuren der kleinen Punkte, viel kleiner als Flugrost: Auf dem Lack von Autos, an Fensterrahmen, Briefkästen, Mülltonnen, Stromkästen. Gemeldet wurde die Vermutung eines neuen Vorfalls von keinem der Betroffenen. Deswegen können es die Behörden auch nicht wissen.

Zu den Vorfällen 2020 und auch zum vermeintlich ersten Fall in 2015 gab es nie Erklärungen. Nach mehreren Medienberichten und Landtagsdebatten hatte das Umweltministerium Sachsen-Anhalts Ende 2020 ein „Sonderprogramm“ zum „Staub in Staßfurt“ aufgelegt: Mehr und neue Messungen, Kontrollen in metallverarbeitenden Betrieben, Eingrenzen der Quelle. Wetter und Eisenbahn sollten einbezogen werden.

Nur Hinweis auf Eisen

Die Landesämter hatten mehrfach erklärt, dass man nicht einfach ein betroffenes Stück Plastik nehmen kann und als Probe untersuchen. Die „Verursacher-Substanz“ muss noch in der Atmosphäre aufgefangen und analysiert werden. Anfang 2021 war das Zwischenfazit vom Umweltministerium, „dass im Staub enthaltene Eisenpartikel zu den festgestellten Schadbildern geführt haben“.

Ein Ergebnis des Sondermessprogramms kann das Umweltministerium auch heute nicht mitteilen: „Das Sondermessprogramm Staßfurt ist noch nicht abgeschlossen. Die Auswertung und Beurteilung erfolgt nach Abschluss der laufenden Daueruntersuchungen, die bis Ende des laufenden Kalenderjahres durchgeführt werden“, so eine Ministeriumssprecherin.

Ende 2021 soll es also ein Ergebnis geben. Nach einem guten Jahr. Neue Daten liegen zwar monatlich vor, aber man sieht sie sich erst nach Ablauf dieses Jahres an.

Daten nicht ausgewertet

So will man bei den fünf neuen Sammelbehältern verfahren, die im Industriegebiet Staßfurt-Nord zusätzlich zu einem älteren aufgestellt wurden: „Die Probenahme erfolgt im monatlichen Turnus. Da die Messwerte auf Jahresmittelwerte zu beziehen sind, erfolgt die Auswertung erst nach Ablauf des laufenden Kalenderjahres.“

Genauso will man bis Ende des Jahres warten, was die Extra-Untersuchungen zum Eisengehalt in der Atmosphäre betrifft. Hier misst das Ministerium wegen des Staßfurter Problems neuerdings an allen 55 bestehenden Messanlagen im ganzen Land den Eisengehalt, um zu vergleichen. Auch all diese Daten werden erst Ende 2021 ausgewertet.

Hinweise führen ins Leere

Nichts ergeben hat unterdessen die Nachforschung, ob der Schienenverkehr eine Rolle spielen könnte. Das Eisenbahn-Bundesamt sollte hier prüfen, „das Ergebnis steht noch aus“. Auch der Ansatz, über meteorologische Daten zu erforschen, wo entlang sich die unbekannten Substanz durch Wind und Wetter verbreiten könnte, hat laut Ministerium ins Leere geführt.

Auch die Kontrollen in Unternehmen, die als mögliche Verursacher in Frage kommen, lieferten kein Ergebnis: Seit Januar 2021 wurden an zwei Anlagen Emissionsmessungen durchgeführt. „Weiterhin erfolgten Probenahmen und weitergehende Untersuchungen von Filterstäuben aus fünf Anfallstellen“, so das Ministerium. Da es keine Meldungen über neue Vorfälle gab, waren auch keine „anlassbezogenen Überwachungen“ notwendig.

Politik will dran bleiben

Dass die Untersuchungen solange dauern, regt Matthias Büttner auf. „Ich bin hochgespannt auf die Untersuchungsergebnisse des Landes und hoffe, dass mehr als beim letzten Mal herauskommt“, sagt er. „Wenn jetzt wieder etwas herunterkamen, muss das in den Staubsammelstellen nachvollziehbar sein.“ Er werde als Abgeordneter im neuem Landtag dranbleiben.

Weitere Fraktionen im Landtag haben sich des Themas angenommen. Hendrik Lange (Die Linke), Detlef Gürth (CDU), Silke Schindler (SPD) und Lydia Funke (AfD) diskutierten dazu lang und breit bei mehreren Sitzungen des Umweltausschusses im Landtag. Umweltstaatssekretär Klaus Rehda (B90/Grüne) und das Landesverwaltungsamt standen Rede und Antwort. Grundtenor: Den Abgeordneten ging es nicht in den Kopf, warum man keine Ursache bei den heutigen technischen Möglichkeiten findet.

„Ich möchte das auf jeden Fall weiterverfolgen“, sagt auch Landtagsabgeordneter Wolfgang Aldag (Grüne). „Die Behörden haben uns ausführlich berichtet. Damit waren wir nicht ganz zufrieden, aber ich vertraue ihnen. Es ist hier nicht einfach, den Verursacher zu finden. Trotzdem ist es für die Betroffenen ärgerlich.“

Am Friedensring finden sich etliche Autos mit zerstörtem Lack.
Am Friedensring finden sich etliche Autos mit zerstörtem Lack.
Foto: F. Richter
Auf Fensterrahmen legt sich der rote Staub geballt ab.
Auf Fensterrahmen legt sich der rote Staub geballt ab.
Fotos: F. Richter
Auf einer Skulptur im Garten von Büttner soll es neue Spuren geben.
Auf einer Skulptur im Garten von Büttner soll es neue Spuren geben.
Foto: F. Richter