Archäologie Steinzeitlicher Totenkult über dem Bodetal
Über 4000 Jahre alte Funde aus der Jungsteinzeit wurden in Staßfurt auf neuer Abbaufläche des Kalksteinbruchs vorgestellt.
Staßfurt l Auch die neuesten 100 Funde des Ausgrabungsteams zeugen von der Besiedlung des Bodetals bei Staßfurt – vor immerhin mehr als 4000 Jahren. Dabei wurde das Plateau Richtung Förderstedt gern als Ort für Begräbnisstätten genutzt. Die Funde wurden vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie am Erweiterungsfeld des Tagebaus vorgestellt, wo Kalkstein für die Sodaproduktion der nächsten fünf Jahre gewonnen wird.
Als spannend bezeichnet Gebietsreferent Martin Planert, dass das fünfköpfige Grabungsteam nicht nur Gräber und Siedlungsspuren aus der Jungsteinzeit gefunden hat, sondern auch aus der Mittelbronzezeit. Die erstgenannte Zeitspanne reichte von etwa 2400 bis 2200 vor Christus, die zweite von etwa 1500 bis 1300 vor Christus.
Eine besondere Überraschung sei die reiche Ausstattung eines Frauengrabes. Mit bronzenen Arm- und Beinreifen, „üppig überhügelt“ muss das große Grab gewesen sein.
Seit knapp zehn Jahren konnten bei Ausgrabungen im Tagebauvorfeld immer wieder Bestattungen aus der jungsteinzeitlichen Schnurkeramischen Kultur nachgewiesen werden, stellen die Archäologen in ihrer jüngsten Bilanz fest.
Erst in dieser Woche konnten zudem noch ein frühbronzezeitliches Grab gefunden werden auf dem 15.000 Quadratmeter umfassenden Ausgrabungsfeld. Ein Zeichen dafür, dass das Plateau unweit der Bode immer wieder als Bestattungsplatz genutzt wurde.
Die Grabhügel sollten weithin sichtbar sein, erklärt Planert.
Zudem wurden jetzt Siedlungsgruben gefunden, die allerdings fundleer waren. Demzufolge sei nicht zu definieren, in welcher Zeit sie angelegt wurden. Solche Gruben dienten unter anderem als kühle Lagermöglichkeit.
Der Gebietsreferent verweist noch auf ein sogenanntes „Pit alignment“. Solche Grubenreihen beschreiben die Archäologen als Landschaftsmarkierungen. In diesem Fall würden sie vermutlich aus der späten Bronze- bis frühen Eisenzeit stammen, also etwa 1200 bis 450 vor Christus.
Die Entdeckung zweier Grabhügel waren ebenfalls von besonderer Bedeutung. Sie hatten einen Durchmesser von etwa 13 Metern. In einem der Grabhügel wurde eine Zentralbestattung mit Steinplattenabdeckung angetroffen, heißt es in der Bilanz weiter. Im anderen insgesamt fünf Körpergräber in Ost-West-Ausrichtung.
Bei einer Reihe aus zwölf mächtigen Holzpfosten vermuten die Archäologen eine Verbindung zu einem der Hügelgräber.
Neben einem Brandgrab der späten Bronzezeit (1200 bis 750 v. Chr.) hoben die Mitarbeiter des Landesamts noch zwei sogenannte Steinpackungen vor, unter denen noch Bestattungen vermutet werden.
Die Ausgrabungen gehen nun dem Ende entgegen.
Ein Ergebnis hebt Grabungsleiter Jan Markus noch hervor: Den Respekt der Menschen aus den verschiedenen Epochen gegenüber den jeweiligen Grabstätten. So sei keine gekreuzt worden, beispielsweise auch nicht bei der Schaffung offensichtlicher Landschaftsmarkierungen.
Und es habe möglicherweise einen Austausch verschiedener Keramik-Kulturen gegeben. In der Bilanz des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie wird dazu vermerkt: „Die reich verzierten Gefäße der jungsteinzeitlichen Schnurkeramischen Kultur (2800 bis 2200 v. Chr.) zeigen Einflüsse der zur gleichen Zeit weiter im Norden beheimateten Schönfelder Kultur und weisen damit auf einen Austausch zwischen beiden Kulturen hin, deren Verbreitungsgebiete sich an der Bode trafen.“
Die Gegenwart sieht nun so aus, dass der Abbau des Kalksteins unter der Erweiterungsfläche von acht Hektar die Sodaproduktion für die nächsten fünf Jahre sichern soll.
Das macht unter anderem eine Umleitung für den Feldweg erforderlich, der zur einst kürzesten Verbindung zwischen Staßfurt und Wartenberg bei Calbe gehörte. Für das rund 700 Meter lange Stück erneuert die Stadt Staßfurt auf Kosten von Ciech ein Stück Europaradweg am Klärwerk.
Die Ausgrabungskosten trägt übrigens der Chemiekonzern ebenfalls.
Ob die Funde vom Steinbruch mal im Staßfurter Stadt- und Bergbaumuseum zu sehen sein könnten? Die Mitarbeiter des Landesamts vor Ort meinen, dass das grundsätzlich möglich wäre bei entsprechenden Anfragen.