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Integrationspreis Vielfalt mit Leben erfüllen

Mit dem Integrationspreis 2017, würdigt die Landesregierung Projekte, mit denen Geflüchteten in Sachsen-Anhalt geholfen wird.

22.11.2017, 16:31

Staßfurt/Magdeburg l Als 2015 viele Flüchtlinge in die Europäische Union und auch nach Deutschland gekommen sind, war in der Öffentlichkeit oft von einer „Krise“ oder „unkontrollierten Strömen“ die Rede. Ohne das politische Handeln in dieser Zeit und danach bewerten zu wollen: In den Städten und Gemeinden ist über viel ehrenamtliche Initiative schnell und unbürokratisch Hilfe angeboten worden - oft mit viel weniger öffentlicher Wahrnehmung. Auch im Salzland und in Staßfurt. Der Landkreis hat sein Integrations- und Betreuungskonzept erstellt und mithilfe von Soziallotsen praktische Unterstützung geboten. In Staßfurt wurde das Willkommensbündnis als Kommunikationsnetzwerk aus der Taufe gehoben. Die Stadt leistet sich mit Sylvia Götze eine eigene Integrationsbeauftragte. Daneben kümmern sich Kirchen, Vereine, Bildungsträger und Privatinitiativen darum, dass Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, in ihrem neuen Zuhause Begleitung erfahren, dass Integration gelingt. Das Land Sachsen-Anhalt würdigt diesen vielfältigen Einsatz. Zum mittlerweile achten Mal ist jetzt bei einem Festakt im Magdeburger Gesellschaftshaus der Integrationspreis des Landes verliehen worden. Damit soll das Engagement von Einheimischen und Zugewanderten für Integration, Teilhabe und interkulturellen Austausch in Sachsen-Anhalt gewürdigt und gestärkt werden, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Integration.

Der Preis wird in drei verschiedenen Kategorien verliehen. Im Bereich „Sprache, Ausbildung und Arbeit - Schlüssel erfolgreicher Integration“ ehrt das Land Bildungseinrichtungen, Unternehmen und Vereine, die sich für sprachliche Bildung, Qualifizierung und berufliche Integration von Flüchtlingen einsetzen. „Staßfurt initiativ“ hat hier den zweiten und mit 500 Euro dotierten Preis für das Projekt „Start-up Inkubator für Geflüchtete und Einheimische“ erhalten. Initiatorin Anette Pekrul zeigt sich nach der Preisverleihung froh darüber: „Die Anerkennung meiner Arbeit durch den Integrationspreis des Landes Sachsen-Anhalt rührt mich sehr. Nie zuvor in meinem Leben ist meine Arbeit so sinnvoll und nachhaltig gewesen.“ Sie dankt für die Bestätigung und dankt vor allem auch denen, die ihre Arbeit auf dem Staßfurter Pekrulhof in der Grenzstraße unterstützen. Das Projekt „Start-up Incubator for Refugees (STIR)“ (Volksstimme berichtete) nutzt die Zeit, in denen Geflüchtete, wenn sie nach Deutschland gekommen sind, auf einen Integrationskurs oder eine Entscheidung über ihren Asylantrag warten müssen. Anette Pekrul und ihre Mitstreiter spüren in dieser Zeit den Talenten von Menschen von hier und anderswo nach. Sie können sich in verschiedenen Bereichen erproben und ausloten, welche Jobs zu ihren Interessen und Fähigkeiten passen könnten. Mentoren aus den einzelnen Zweigen geben Einblicke in ihre Berufsfelder. In den Gruppensitzungen kommen auch Deutsch als Sprache und Landeskunde zum Tragen. Perspektivisch, so der Plan, könnten Gründerteams entstehen, die Zugewanderten könnten beruflich selbständig hier Fuß fassen - oder gewinnen die Erfahrung, dass auch eine Anstellung in einem Unternehmen sie auf ihrem eigenen Weg weiter bringt.

Um echte Chancen auf Entwicklung geht es auch Anneliese Deubeler in ihrer ehrenamtlichen Arbeit. Die 74-Jährige engagiert sich nach ihrer Pensionierung als Grundschullehrerin als Dozentin für Integrations- und Sprachkurse für Migranten bei der Staßfurter Urania. Der wohlverdiente Ruhestand sollte „Unruhestand“ für sie bleiben, sagt Anneliese Deubeler im Volksstimme-Gespräch. „Ich will mich einbringen und nach meinen Kräften meinen Anteil an gesellschaftlichen Entwicklungen leisten.“

Die Jury des Integrationspreises Sachsen-Anhalt würdigt das: Anneliese Deubeler ist eine von 19 Ehrenamtlichen, die für ihren individuellen Einsatz in der Migrationsarbeit stellvertretend für die vielen Engagierten im Land besonders geehrt wurden. „Sie ist nicht nur Lehrerin, sondern hilft den Menschen bei allen Fragen und unterstützt sie so beim Ankommen“, heißt es in der Laudatio. Die Staßfurterin sagt, dass es ihr genau darum gehe, um Schicksale. „Mich interessieren die Menschen nicht nur als Schüler, sondern vor allem als Persönlichkeiten, mit ihren Geschichten, mit ihren Ängsten, aber auch mit ihren Hoffnungen.“ Sie selbst stelle sich immer wieder die Frage, wie es ihr gehen würde, wenn sie neu in einem Land ankommen würde, ohne die Sprache zu verstehen, konfrontiert mit einer anderen Umgebung, mit einer Vielzahl von Gesetzen, Regelungen, Bestimmungen und Bedingungen. „Da ist man für jede Hilfe dankbar.“ Die Urania und Anneliese Deubeler wollen diese Hilfe anbieten. Der Unterricht in Integrations- und Deutschkursen vermittelt das nötige und wichtige Wissen, sei aber auch immer ganzheitlich ausgerichtet und nehme die Zugewanderten „in ihrem Jetzt“ an. Mit bestandenen Prüfungen breche der Kontakt zu den Schülern nicht ab. In regelmäßigen Begegnungen schaffe die Urania Möglichkeiten zum weiteren Erfahrungsaustausch. „Es gibt viele, die einen Beruf gefunden haben, die sich über den Spracherwerb weiterqualifizieren konnten und die Familien gründen.“ Und dieser Erfolg, so Anneliese Deubeler, gebe den Initiatoren bei der Gestaltung der Unterrichtsangebote Recht. „Wir freuen uns über gute Ergebnisse. Bis zu 80 Prozent aller Kursteilnehmer schaffen bei den Prüfungen die Höchstnoten.“ Insofern sei der Preis jetzt weniger ein Motivationsschub, so die Geehrte, „denn motiviert bin ich immer und von Anfang an“. Vielmehr sei er eine Anerkennung für die Leistung echter Integrationsarbeit.