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Stadtratswahl „Ich wurde bezahlt“

Erst deckte er Manipulation der FDP-Liste auf, jetzt belastet Sebastian R. Ex-Parteifreund. Bausemer sagt: „Schwachsinn“.

30.08.2015, 23:01

Stendal l Es ist ein liberales Tohuwabohu zur jüngsten Stadtratswahl, bei dem bislang nur eines gesichert ist: Die FDP nominierte im April 18 Kandidaten, reichte aber 19 ein. Nachdem AfD-Kandidat Tom Klein dies Ende April beim Stadtwahlleiter anzeigte, erneuerten die Liberalen kurzfristig eidesstattliche Erklärungen, wonach die ersten 17 auf der eingereichten Liste in dieser Form auch gewählt worden sind. Der Wahlaussschuss ließ trotz Bedenken einzelner Mitglieder die Liste zu.

Diese Entscheidung ist Hauptbestandteil des Wahleinspruchs von Klein. Über diesen – und damit die Gültigkeit der Wahl vom 21. Juni – berät heute Abend um 18 Uhr der Stadtrat.

Bekannt wurde die Manipulation durch Sebastian R., der die Versammlung mitgeschnitten hatte. Am Sonnabend erklärte der 18-Jährige, dass er vom Vorsitzenden des FDP-Ortsverbandes Elbe-Havel-Havel-Land, Arno Bausemer, „bezahlt“ worden sei, „dort einzutreten, um die dort auszuhorchen“. Bausemer widersprach dem gegenüber der Volksstimme energisch: „Das ist Schwachsinn.“

R. und Bausemer hatten jüngst auch bei einem Filmprojekt zusammengearbeitet, sich dabei aber zerstritten. Aus dem Umfeld der beiden wird über einen „Racheakt“ gemutmaßt. Bausemer gilt als größter innerparteilicher Kritiker von FDP-Kreischef Marcus Faber.

Sebastian R. hatte bereits am Wahltag für Schlagzeilen gesorgt, da er auf Facebook zur Wahl des damaligen FDP-Stadtrates Michael Kühn aufrief und beim Posten des Wahlzettels 50 Euro versprach. Kühn distanzierte sich. Stadtwahlleiter Axel Kleefeldt stellte Strafanzeige. R. löschte den Post und nannte ihn „Satire“.

Wegen beider Aktionen stellte im Juli ein Trio des FDP-Kreisvorstandes den jungen Mann zur Rede und drängte ihn, aus der Partei auszutreten.

Dem vierseitigen Wahleinspruch von Klein ist auch eine Erklärung von Sebastian R. beigefügt: Darin belastet er unter anderem auch FDP-Ratsmitglied Faber, dass dieser in Berlin lebe. R. war vorige Woche ins Rathaus gebeten worden.

Er habe die Erklärung „korrigiert“, sagte R. auf Volksstimme-Nachfrage. Weiter wolle er sich dazu vor dem heutigen Montag nicht äußern.

Klein, der inzwischen aus der AfD ausgetreten ist, verfolgt den Streit des Duos distanziert: „Fakt ist, dass hier grobe Fehler bei der Wahl passiert sind und dass ich der einzige bin, der diese ganzen Sachen im Wahleinspruch formuliert und aufgedeckt hat.“

Der Wahlleiter hat den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen (Volksstimme berichtete). Kleefeldt hatte aber bei einem der von Klein monierten Fälle nicht einen vergleichbaren Verstoß in Nordrhein-Westfalen ausgewertet.

Spannend ist auch die Frage, inwieweit sich Fabers zwischenzeitliche Hochzeit mit seiner in Berlin lebenden Lebensgefährtin auf dessen Wählbarkeit auswirkt und er im Stadtrat bleiben kann.