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Kühles Vergnügen Bad mit Spitzhacke und Glühwein

Bei minus acht Grad zieht es die Eisbader ins Wasser.

Von Anke Hoffmeister 04.01.2016, 00:01

Tangermünde l Die Finger werden rot. Der kalte Wind kneift ins Gesicht. „Das Wetter ist ja heute furchtbar. Es tut richtig weh“, sagt Bärbel Renne, als sie am Sonntagvormittag von ihrem Fahrrad steigt. Die Tangermünderin gehört zur Gruppe der Tangermünder Wasserplumpser. Das sind die Eisbader der Kaiserstadt, die sich seit etwa 15 Jahren unter Leitung von Michael Bäther regelmäßig zum Eisbaden treffen.

Nach und nach treffen die anderen an der Badestelle ein. Es ist Sonntag 11 Uhr. Zeit für die Wasserplumpser, ein gemeinsames Bad zu nehmen. Wenn für die meisten Menschen die Badesaison nach dem Sommer endet, kommen die etwa 20 Männer und Frauen erst dann so richtig in Schwung. „In diesem Jahr haben wir erst im Oktober angefangen, vorher war es viel zu warm“, erzählt Michael Bäther. Je kälter, desto besser – nach dieser Devise erkunden sie Winter für Winter die Seen der Region.

Warum aber sollte man so etwas Verrücktes tun und bei eisigen Temperaturen ins Wasser steigen? Wohlgemerkt ohne Neoprenanzug und dicke Socken, sondern nur mit der ganz normalen Badebekleidung am Körper. „Du bleibst gesund“, lautet die spontane Antwort von Hans-Jürgen Meier. „Du bekommst keinen Schnupfen mehr.“

Deshalb nutzt Hans-Jürgen Meier diesen ersten, wirklich eisigen Tag im Winter 2015/2016 dazu, mit ins Wasser zu steigen. Gemeinsam mit Bärbel Renne und Michael Meier wagt er gestern den Schritt, während die anderen Wasserplumpser, von ihren dicken roten Jacken vor Kälte geschützt, seelische Unterstützung leisten. Zweimal steigen die drei ins Wasser, tauchen kurz bis zum Hals ab und kommen wieder an Land. Das Ufer ist vereist, so dass sie jedes Mal mit Bedacht rein und rauslaufen müssen, um nicht zu stürzen. Die anderen Eisbader reichen dazu ihre Hände und bieten sicheren Stand.

Die Spitzhacke mussten die Eisbader in dieser Saison jedoch noch nicht auspacken. Dafür war es bisher viel zu mild. Auch die letzten zwei Nächte mit Minusgraden haben keine Eisschicht auf dem Wasser wachsen lassen.

„Meist gehen wir drei- oder auch viermal bei einem Treffen ins Wasser. Das dauert insgesamt bis zu zehn Minuten“, erklärt Michael Bäther das sonntägliche Szenario an einem See. „Jeder entscheidet für sich selbst, wie oft und wie lange er es im Wasser aushält.“

Wichtig nach jedem Eisbad: Es geht sofort in die trockenen Sachen. Wenn die kalten Finger dabei nicht so können wie sie wollen, helfen die Eisbader ein- ander, schließen Knöpfe oder klemmende Reißverschlüsse. Auch haben die Wasserplumpser etwas Heißes zu trinken mit. Thermoskannen stehen bereit. Kurz nach dem Eisbad liegt der Duft von Glühwein und Früchtetee in der Luft.

„Ich erinnere mich noch genau an mein erstes Eisbad“, erzählt Michael Bäther. Er habe einfach seine Tasche gepackt, sei zum Eisbaden nach Ferchland und habe gefragt, ob er mit ins Wasser gehen könne. „Da ist mir aber erst einmal die Spucke weggeblieben“, weiß er noch heute von seinem ersten Eisbadererlebnis zu berichten.

Inzwischen sind 15 Jahre vergangen. Wie die meisten anderen, die seit langer Zeit zur Tangermünder Gruppe gehören, weiß er, dass es langsam ins eiskalte Wasser geht, um sich nicht selbst zu schocken.

Mit mehr als 100 Gleichgesinnten werden am Sonnabend, 30. Januar, 15 Wasserplumpser beim 30. Ferchländer Eisbaden dabei sein. Los geht es um 14 Uhr am Feuerlöschteich außerhalb des Elbedorfes östlich des Flusses. Gruppen aus allen Teilen Deutschlands treffen sich hier, während hunderte Zuschauer das Spektakel verfolgen.