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Amtsgericht Geldstrafe für bewaffneten Freier

2800 Euro muss ein 61-jähriger Altmärker zahlen, der in Stendal mit einem Revolver an die Tür von zwei Prostituierten gehämmert hatte.

Von Wolfgang Biermann 06.01.2016, 23:01

Stendal l Das Amtsgericht Stendal hat am Montag nach zweitägigem Prozess den Mann aus dem Norden des Kreises Stendal wegen versuchter Nötigung, fahrlässiger Körperverletzung und Verstoß gegen das Waffengesetz zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 40 Euro (2800 Euro) verurteilt.

Der Amtsrichter sah es als erwiesen an, dass der Landwirt und passionierte Jäger am Abend des 16. September 2014, „nachdem er zuvor nicht unerheblich dem Alkohol zugesprochen und einen Blutalkoholwert von mindestens 2,43 Promille hatte“, mit einem geladenen Revolver an die Wohnungstür von zwei Prostituierten gehämmert und Einlass in deren Wohnung in der Gardelegener Straße gefordert hatte. Aus „berechtigter und nachvollziehbarer Panik“ sei eine der beiden Frauen, eine 31-jährige Polin, in Richtung Balkon geflohen. Sie sei dabei – „in Angst und zu keinem klaren Gedanken fähig“ – über die Balkonbrüstung geklettert und schließlich vom Balkon im Obergeschoss auf die Straße gestürzt, begründete das Gericht den Schuldspruch.

Bei dem Sturz zog sich die 31-Jährige mehrere, teils komplizierte Brüche zu, unter anderem eine Lendenwirbelfraktur. Die Behandlung dauere noch an, in ihrem Beruf könne sie nicht mehr arbeiten. Ihre polnische Kollegin (33), die am Montag auch als Zeugin gehört wurde, sagte aus, dass sie ebenfalls Angst um ihr Leben hatte.

Beide seien sie um Hilfe schreiend zum Balkon gelaufen. Sie sei vor Angst aber wie gelähmt gewesen und deshalb nicht gesprungen, habe aber die Polizei über Handy alarmiert, so die 33-Jährige. „Eine Hand“, die wohl einer Kollegin aus einer ebenfalls der Prostitution dienenden Wohnung nebenan gehörte, habe sie in die Nachbarwohnung gezogen. Von einer Verbindungstür zum Nachbarbalkon hätten beide nicht gewusst. Sie seien erst zwei Tage zuvor dort eingezogen.

Am Nachmittag des 16. September 2014 hatte der Angeklagte, der die Tat nicht bestritt, aber jede Erinnerung daran verloren haben will, zunächst als Freier „die Dienste der beiden Damen in Anspruch genommen“, wobei es aber zu keinen sexuellen Handlungen gekommen sei, wie es weiter in der Urteilsbegründung hieß. In „freundlicher und entspannter Atmosphäre“ habe er den beiden Prostituierten von privaten Problemen erzählt. Dann sei er gegangen, um „wenige Minuten später aufgeregt und wütend mit der Waffe gegen die Tür zu schlagen und Einlass zu begehren“.

Dort fanden ihn auch zwei Polizeibeamte laut schreiend „Ihr habt meine Brieftasche geklaut“ vor. Er habe einen Revolver im Holster gesehen, sagte ein 48-jähriger Polizist aus. Es sei ein Revolver vom Kaliber 38 gewesen. Nur mit Mühe hatten die Beamten den Angeklagten entwaffnen, zu Boden bringen und fesseln können. Zu zweit hätten sie auf ihm gekniet.

Laut LKA handelte es sich bei der Waffe um einen fünfschüssigen, kurzläufigen Revolver des brasilianischen Herstellers Amadeo Rossi SA. Die Anklage war indes entgegen dem LKA von einer halbautomatischen Waffe ausgegangen, die eine höhere Bestrafung (mindestens sechs Monate Gefängnis) nach sich gezogen hätte, wie es im Urteil hieß. Der Angeklagte hätte den Revolver nur auf dem Weg zum/vom sowie in seinem Jagdrevier führen dürfen, sagte der Richter.

Mit seinem Urteil unterbot er die Staatsanwaltschaft, die 160 Tagessätze à 40 Euro ( 6400 Euro) und die Verteidigung, die 100 Tagessätze à 40 Euro (4000 Euro) gefordert hatten. Der Anwalt, der die verletzte Prostituierte als Nebenkläger vertrat, hatte eine Haftstrafe von „über zwei Jahren“ sowie einhunderttausend Euro Schmerzensgeld sowie eine monatliche Rente von 500 Euro für seine Mandantin gefordert.

Die angeblich verschwundene Geldbörse hatte sich übrigens zu Hause eingefunden, wie der Angeklagte einräumte.

Im Schlusswort entschuldigte sich der gelernte Landwirt bei dem Opfer und auch bei den Polizisten: „Es tut mir leid.“ Er sei alkoholkrank und befinde sich deshalb schon seit über einem Monat in einer Therapie. Auf ihn würden noch „zivilrechtliche Ansprüche zukommen, die sein künftiges Leben prägen werden“, sagte der Richter abschließend voraus. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft behält sich Rechtsmittel vor, wie deren Sitzungsvertreter der Volksstimme sagte.