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Aktionswoche "Denken ohne Geländer" findet online statt

„Denken ohne Geländer“ in Stendal findet wegen Corona digital statt. Schwerpunkte sind Toleranz und das gesellschaftliche Miteinander.

Von Donald Lyko 24.01.2021, 08:00

Stendal l Als sich Prof. Katrin Reimer-Gordinskaya im Sommer 2015 mit dem damaligen TdA-Intendanten Alexander Netschajew traf, um eine Zusammenarbeit zu besprechen, war an eine Veranstaltungsreihe noch nicht zu denken. Damals ging es darum, dass Studierende der Hochschule Magdeburg-Stendal aus dem Bereich Kindheitswissenschaften ein Begleitprogramm für die Ausstellung „Angezettelt“, die rassistische und antisemitische Aufkleber thematisiert, gestalten wollten. Die Ausstellung fand leider nicht statt, aber die Idee und die Vorarbeit für das Programm – unter anderem ging es um die Spurensuche nach jüdischem Leben in der Altmark – waren da. Und noch etwas wollten die Studenten unbedingt zum Thema machen: Fremdenfeindliche Tendenzen und ideologische Ansichten, wie sie aus der NS-Zeit bekannt waren, klangen während der Flüchtlingskrise 2015 immer stärker an. Katrin Reimer-Gordinskaya wollte das Semesterprojekt erst absagen, doch die Studenten waren sich einig: „Wir machen es!“ Dem schloss sich das TdA an.

Und darum trafen sich die Professorin und der Intendant im Herbst wieder. Auf dem Weg zur Besprechung begegnete ihnen auf dem Flur Aud Merkel, damals Dramaturgin und Pressesprecherin des TdA – und sie wurde spontan hinzu gebeten. „Von der Idee, vom Format war ich gleich begeistert“, schaut Aud Merkel zurück. Sie hatte damals für das Programm auch sofort einen Vorschlag: eine Lesung mit Texten von Hannah Arendt, die sie mit Schauspielerin Ingrid Birkholz und Pianist Ronny Kaufland für einen Abend in Wittenberge inszeniert hatte.

Hannah Arendts (1906-1975) Buch „Denken ohne Geländer“ hat der Veranstaltungsreihe ihren Namen gegeben. Einer Reihe, die seit Januar 2016 läuft – immer mit dem selben Logo: Halbmond, Kreuz und Davidstern, miteinander verbunden, und immer um den 27. Januar herum, dem Tag der Befreiung des KZ Auschwitz.

„Vom Erfolg waren wir überwältigt“, sagt Katrin Reimer-Gordinskaya über den Start vor fünf Jahren. Die Qualität mache vor allem aus, „dass die Besucher miteinander und mit den Akteuren ins Gespräch kommen können“. Bis heute gebe es ein starkes Interesse daran. Im Laufe der Jahre kamen immer mehr Partner hinzu. Das Stadtarchiv Stendal und die Evangelische Stadtgemeinde Stendal gehören ebenso dazu wie der Verein Kinderstärken, die Mahn- und Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen, die Freiwilligen-Agentur Altmark, die Initiative „Herz statt Hetze“, das Musikforum Katharinenkirche, das Altmärkische Museum und viele andere. Auch Schulen sind aktiv dabei. „Es freut mich persönlich sehr, dass Lehrer und Schüler von Anfang an das Potenzial erkannt haben und sich mit eigenen Beiträgen einbringen möchten“, sagt Projektkoordinatorin Aud Merkel. Jeder Partner bringe einen anderen Zugang zum Thema mit, einen künstlerischen, wissenschaftlichen oder einen aus der Zivilgesellschaft heraus.

„Wir sind reflektierter geworden, wir selbst lernen ganz viel dabei“, sagt Katrin Reimer-Gordinskaya. Auf dem Weg dahin seien die Veranstalter in so manches Fettnäpfchen getreten. Eine wichtige Erfahrung, die sich im Programm niederschlägt: Nicht immer nur auf die Vergangenheit zu schauen und an Juden als NS-Opfer zu erinnern, sondern mehr auf das jüdische Leben von heute zu blicken, auch die jungen Juden über ihren Alltag in Deutschland berichten zu lassen. Mit dem aktuellen Programm sei diese „kleine Unwucht“ behoben worden, so Aud Merkel. Das Programm läuft dieses Jahr online, es gibt weniger Veranstaltungen. Los geht es am Montag, 25. Januar.

Die Corona-Zeit haben die Akteure genutzt, um eine Webseite (www.denken-ohne-gelaender-de) zu gestalten. „Damit sind wir das ganze Jahr über erreichbar“, erklärt Aud Merkel. Neben aktuellen Informationen gibt es einen fotoreichen Rückblick auf die vergangenen Aktionswochen. Für den Aufbau der Webseite konnte Fördergeld aus dem Landesprogramm „Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit“ umgewidmet werden. Die etwas ruhigere Vorbereitungszeit hat das Team als Chance genutzt, um zu schauen, wohin es in den nächsten fünf Jahren gehen soll.