Stendal l Justitias Mühlen mahlen langsam, sagt zumindest ein geflügeltes Wort. Das gilt möglicherweise auch für die längst als erledigt beziehungsweise als aussichtslos angesehenen Klagen von Sparern gegen die von der Stendaler Kreissparkasse ausgesprochenen Kündigungen von rund 1200 lukrativen Prämiensparverträgen im Dezember 2016.
Die Volksstimme berichtete seit 2017 von etlichen Verfahren am Amtsgericht und am Landgericht in Stendal, die allesamt zuungunsten der klagenden Sparer ausgingen. Möglicherweise wird höchstrichterlich in Karlsruhe jedoch anders entschieden als bislang von den Stendaler Gerichten und dem Oberlandesgericht in Naumburg. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat sich eines Stendaler Falles angenommen.
Eigentlich waren alle Rechtsmittel bereits ausgeschöpft. Auch wenn es noch keinen Entscheid durch die Karlsruher Richter in der Sache selbst gibt, könnte Hoffnung aufkeimen. Zumindest bei den betroffenen Sparern, die bislang noch keine rechtlichen Schritte gegen die Kündigung ihrer Prämiensparverträge durch die KSK Stendal unternommen haben. Und das dürfte wohl die Mehrzahl der 1200 Sparer sein.
Wie die Stendaler Volksstimme recherchierte, hatte die sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) von zwei Sparern über ihren Gardeleger Anwalt Erfolg. Das bestätigte Michael Steenbuck, Sprecher des Landgerichts Stendal, auf Nachfrage. Demnach hatte das Landgericht in Stendal am 29. Januar vorigen Jahres die Klage von zwei Sparern gegen die Kündigung ihres Prämiensparvertrages abgewiesen.
Das OLG Naumburg bestätigte das Landgericht mit Urteil vom 16. Mai 2018. Es wies die Berufung ab. Die Richter in Naumburg ließen die Revision gegen ihr Urteil zum BGH nicht zu. Eine Voraussetzung für eine Revision sei, dass der Streitwert über 20?000 Euro liegt. Und das sei hier nicht der Fall, so Sprecher Steenbuck. „Der BGH hat dann die Sache auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger hin an sich gezogen und mit Beschluss vom 19. Februar dieses Jahres die Revision zugelassen.“
Wie der Sachstand sei, insbesondere ob es schon einen Termin in Karlsruhe gibt, vermochte Steenbuck nicht zu sagen. Er nahm zugleich den Sparern, die sich seit 2017 vergeblich durch alle Instanzen geklagt haben, jegliche Hoffnung auf Abänderung ihrer Urteile. Die hätten Bestandskraft.
Hinsichtlich weiterer Klagen wies er darauf hin, dass Verjährungsfristen zu beachten seien. Das könnten im konkreten Fall wohl nur ein Anwalt oder Verbraucherschützer feststellen.
Vorausgesetzt der Bundesgerichtshof entscheidet in der Revision im Sinne der Sparer, könnten sich aktuell auch noch Sparer Hoffnung machen, deren Berufungsklage gegen ein Amtsgerichtsurteil derzeit in einem Parallelverfahren am Landgericht in Stendal in zweiter Instanz anhängig ist.
Worum geht es? Die Sparkasse hatte zeitlich unbefristete Sparverträge vor allem in den 1990er Jahren angeboten. Die Zinsen für den Gesamtvertrag sind variabel und aus heutiger Sicht wenig lukrativ. Gab es im August 1994 noch 3,5 Prozent Zinsen im Jahr auf die gesamte Einlage, so sind es derzeit weit unter einem Prozent. Interessant war und ist aus Sicht der Sparer vor allem die Prämienstaffelung, die im dritten Vertragsjahr einsetzte.
So werden die jährlich eingezahlten Sparbeträge ab dem 15. Jahr mit 50 Prozent verzinst. Mit Blick auf das seit Jahren anhaltende Zinstief kündigte die KSK Ende 2016 etwa 1200 Verträge. Sparer sahen das als willkürlich an. Sie beriefen sich auf ein Sparkassenprospekt, das in einer Beispielsrechnung von 25 Jahren ausging. Die Sparkasse verwies indes in ihren Kündigungen angesichts angeblich fehlender Refinanzierungsmöglichkeiten auf die Gesetzeslage und ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie besondere „Bedingungen für den Sparverkehr“.
Amtsgericht und Landgericht in Stendal sowie das OLG Naumburg folgten der Argumentation. Als sogenannten sachgerechten Grund für die Kündigung ließen sie die derzeitige Niedrigzinsphase gelten. Am 3. November 2017 hatte die 1. Zivilkammer am Landgericht Stendal diesbezüglich ein Urteil im Sinne der Kreissparkasse gesprochen, das als Grundsatzurteil gilt. Ob der BGH daran rüttelt, ist nicht abzusehen.
Von der Kündigung Betroffene sollten nach Meinung von Experten die Entscheidung der Karlsruher Richter abwarten. Sie raten von Schnellschüssen und voreiligen Klagen infolge des unkalkulierbaren finanziellen Risikos für die Sparer ab.