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Bioabfall Mehr Deponie als Kompostanlage

Warum der sich stapelnde Bioabfall in Polte dem Landkreis Stendal mächtig auf die Füße fallen könnte.

Von Bernd-Volker Brahms 18.09.2019, 01:01

Polte l Nun also doch: Im Mai hieß es noch vom Landesverwaltungsamt, dass bei der Kompostierungsanlage in Polte, wo der gesamte Bioabfall des Landkreises Stendal hingebracht wird, alles in bester Ordnung ist. Und dies, obwohl die ehemalige Schweinegülleanlage nicht nur ganz offensichtlich völlig ungeeignet wirkt, sondern auch bis an den Rand gefüllt ist. Zudem ist offensichtlich, dass der Bioabfall durchsetzt ist mit Plastikmüll und eher nach Restabfall aussieht als nach kompostierbarer Masse.

Das Landesverwaltungsamt in Halle ist als obere Abfallbehörde zuständig für die Kompostierungsanlage und hat dort bei einem Vor-Ort-Termin am 13. August eine Kontrolle vorgenommen, wie die Behörde auf Nachfrage mitteilte. Es wurde festgestellt, dass die Kompostmieten (Haufen) von den beantragten Miethöhen abweichen und auch das Betriebstagebuch durch die Betreiberfirma Wiese Umwelt Service GmbH nicht aktuell geführt wird.

Und dies ist keine Lappalie, besagt dies doch im Klartext, dass die Abfallanlage zu voll gestopft ist und die Betriebsunterlagen nicht vernünftig geführt werden. Dem Betreiber wurde nun eine Frist gesetzt, die Mängel zu beheben und den „genehmigungskonformen Zustand wiederherzustellen“. Wie groß die Abweichungen sind, wollte das Landesverwaltungsamt nicht mitteilen. Noch im Juli hatte es auf Volksstimme-Nachfrage geheißen, dass die „festgelegten maximalen Durchsatzmengen eingehalten“ werden. Die Frage nach der Lagermenge wurde nicht beantwortet.

Auf nochmalige Nachfrage wurde von der Behörde jedoch bestätigt, dass bei dem Vor-Ort-Termin auch ein auf erheblicher Länge defekter Zaun festgestellt worden ist. Außerdem seien im Umfeld der Anlage „leichte Verwehungen“ registriert und noch am selben Tag vom Betreiber beseitigt worden. Die Volksstimme dagegen hatte am 2. September einen erheblich mit Plastikmüll verdreckten Wald vorgefunden, der unmittelbar an die Anlage grenzt. Der Abfall stammt ganz offensichtlich aus Verwehungen von der Kompostierungsanlage.

Zum defekten Zaun: Angesichts der befürchteten Afrikanischen Schweingrippe, die über Polen nach Deutschland eingeführt werden könnte, dürfte es nicht ganz unerheblich sein, ob Wildschweine die Kompostierungsanlage spielend erreichen oder aber von einem Zaun abgehalten werden. An jedem Rastparkplatz gibt es mittlerweile Hinweise, dass Essensreste nicht unbedacht weggeworfen werden sollen. In Polte haben die Wildschweine dagegen freie Bahn zu den Bioabfällen.

Um es klarzustellen: Der gesamte Bioabfall des Landkreises Stendal wird nach Polte gebracht. Dazu kommen auch Abfälle aus dem Harz. Zeitweise ist auch die Stadt Magdeburg dort ihren Abfall losgeworden. Die Volksstimme wollte von der Geschäftsleitung der Wiese Umwelt Service GmbH, die die Anlage dort seit 1996 betreibt, wissen, wie viel Abfall jährlich angefahren wird, wie viel zu Kompost verarbeitet wird und wo der Restabfall bleibt, der nach dem Kompostierungsprozess übrig bleibt. Es hieß, dass Anfragen weder telefonisch noch per E-Mail beantwortetet werden. Stattdessen gab es eine Einladung wahlweise ins Büro der Firma im thüringischen Berga oder Großkayna südlich von Halle.

Das Landesverwaltungsamt war zwischenzeitlich etwas auskunftsfreudiger und lieferte ein paar Zahlen. So seien 2017 18.226,18 Tonnen „Bioabfall“ aus dem Landkreis Stendal angeliefert worden, 2018 waren es 16.929,04 Tonnen. Allerdings läuft der angelieferte Abfall unter der Abfallschlüsselnummer AVV 200301, was „gemischte Siedlungsabfälle“ bedeutet – und eben nicht Bioabfall. Zu den oben genannten Mengen kommen wie beschrieben weitere Anlieferungen aus anderen Regionen sowie Privatunternehmen.

Dem gegenüber nennt das Landesverwaltungsamt für 2017 eine Kompostmenge von 5006,77 Tonnen plus 116,49 Kubikmeter, die wieder abgefahren wurden. Für 2018 wurden 7664,04 Tonnen Kompost abgegeben.

Als Restabfall, der durch den Siebüberlauf bei der Kompostproduktion entsteht, nennt das Landesverwaltungsamt für 2017 insgesamt 1884,11 Tonnen sowie für 2018 890,62 Tonnen. Die Frage, wo der Restabfall verblieben ist, ließ das Landesverwaltungsamt unbeantwortet.

Wenn man alle oben genannten Zahlen abgleicht und gleichzeitig berücksichtigt, dass es bei Bioabfall einen Rotteverlust von bis zu 60 Prozent gibt, dann ist immer noch klar, dass es einen jährlichen Überhang an Abfall von mehreren 1000 Tonnen in Polte gibt. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Anlage mittlerweile picke packe voll ist.

Nach Einschätzung von Insidern könnte dies in absehbarer Zeit zu einem Problem für den Landkreis Stendal werden, wenn für das Unternehmen das praktizierte Geschäftsmodell nicht mehr aufgeht, es Insolvenz anmelden muss und letztlich mit der Müllanlage dasitzt. Einen ähnlichen Fall hat es vor Jahren in Magdeburg gegeben. Letztlich hängt der Landkreis mit der Erzeugerpflicht in der Sache drin, auch wenn er nicht unmittelbar für die Aufsicht zuständig ist.

Noch ist der Landkreis heilfroh, dass er den Bioabfall preisgünstig dort los wird. In keinem Landkreis in Sachsen-Anhalt wird pro Kopf derart viel Bioabfall produziert wie hier. Dies liegt vermutlich auch daran, dass die Bio-Tonne immer noch kostenlos ist und über die Restmülltonne quersubventioniert wird.

Nach Volksstimme-Informationen zahlt der Landkreis rund 12 bis 13 Euro pro Tonne für die Entsorgung des Bioabfalls in Polte. Der Betreiber dort kann lediglich ein Geschäft machen, wenn er entweder Kompost verkauft oder den Abfall einfach liegen lässt. Da in Polte lediglich minderwertiger Kompost in geringen Mengen produziert wird, fällt dies wohl weitgehend als Einnahmequelle aus. Wenn der Abfall beispielsweise in Magdeburg-Rothensee verbrannt werden soll, dann fallen dafür rund 150 Euro pro Tonne an. Auch das ist augenscheinlich keine Option.

Da bleibt nur das Horten des Abfalls und die Frage, wie lange das noch so weitergeht. Dass die zulässige Höhe der Kompostmieten überschritten wird, wie unlängst festgestellt, ist da nur folgerichtig.