Viktor Reichels Parzelle ist in diesem Jahr die schönste des Kreisverbandes Chinesische Gartenkunst am Stadtrand von Stendal
Stendal. Ein Meer von Sommerblumen, über die der Blick auf feldstein-gefasste Beete fällt. Dazwischen sattgrüner Rasen, einem Teppich gleich.
Dieser Garten im "Hohen Kranz" gehört Viktor Reichel und seiner Familie. Seit sechs Jahren bewirtschaften sie ihn. Meterhoch stand verwilderter Spargel dort, wo sich heute Weißkohl und rote Bete prächtig entwickeln. "Die sind für Borschtsch, eine russische Suppe", erklärt der Mitfünfziger. Dieses hier sei gut für den Bauch, das andere dort hinten gut für die Seele, sagt der Hobby-Gärtner lächelnd. Der Akzent verrät seine Herkunft. Als Sohn wolgadeutscher Eltern wurde Viktor 1955 in Sibirien geboren. Dorthin mussten Vater und Mutter 1942 auf Stalins Befehl umsiedeln. Seit neun Jahren lebt die Familie Reichel – auch die Mutter von Viktor – in Stendal, wo sie sich einen kleinen Garten wünschte. In dem stehe ich nun und bin neugierig auf "das andere dort hinten", von dem Viktor Reichel eben sprach und auf das er noch immer mit einladender Handbewegung weist.
Hinter einem Rankgitter öffnet sich der zweite, von Hecken eingefasste Bereich des Gartens – ein asiatischer Park en miniature. Die Sitzecke in Form einer chinesischen Pagode. Links davon plätschert Wasser über ein Schaufelrad, ebenfalls unter pagoden-geschwungenem, hölzernem Baldachin, in einen von zwei kleinen Teichen. Schilfgras, Sumpfplanzen, silbrig glänzende Kugeln wie Perlen am Gewässersaum. Eine Bogenbrücke in leuchtendem Rot darüber, von goldfarbenen Drachen "bewacht". Hier darf die Seele baumeln, können der Fantasie Flügel wachsen. Entspannung pur, Wohlgefühl. "Alles selbst gemacht", antwortet Viktor Reichel auf die ungläubige Frage und fügt fast entschuldigend an. "Ich bin Holzschnitzer von Beruf, wissen Sie?" Das Wissen des Betrachters darum schmälert nicht die Hochachtung vor der Gartenkunst und nicht von der gelungenen Kombination der beiden Teile des Gartens von Viktor Reichel, der im Rahmen der Gemeinschaftsaktion des Gartenfreunde-Kreisverbandes und der Volksstimme am Sonnabend als der schönste Kleingarten dieses Jahres ausgezeichnet wurde.