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Corona Notlüge, um getestet zu werden

Ein 33-Jähriger war der erste Corona-Fall im Landkreis Stendal und erzählt seine Geschichte

Von Bernd-Volker Brahms 19.03.2020, 15:30

Stendal l Es war ein Kurzurlaub in Österreich. Der 33-jährige Peter K.* aus einem Ortsteil von Stendal war in der vergangenen Woche für vier Tage mit fünf Bekannten zu einem Skiausflug ins Tiroler Bergdorf Sölden gereist.

Seit Sonntagmittag steht fest, Peter K. ist der erste offiziell registrierte Corona-Fall des Landkreises Stendal. „Patient Null“, wie er sich selber nennt. Allerdings ist er sich sicher, dass es auch vor ihm schon einige Menschen in Stendal mit dem Covid 19-Virus gab. Nur weil er sehr hartnäckig geblieben ist, wurde er nach seiner Rückkehr überhaupt auf den Virus getestet.

„Ich musste lügen, damit ich getestet wurde“, sagt er. Sein Hinweis, dass er aus einem Urlaub im österreichischen Tirol zurückgekommen war, reichte nicht aus. Nachdem er am Donnerstagabend zurückgekommen ist, rief er gleich am Freitagvormittag bei der Hotline des Stendaler Gesundheitsamtes an. Da er da noch keine Krankheitssymptome aufwies und dies auch am Telefon so wahrheitsgemäß schilderte, bekam er den Hinweis, dass unter diesen Umständen ein Abstich nicht möglich sei. Auch ein Anruf bei seiner Ärztin brachte nichts ein, diese hatte das notwendige Material für eine Untersuchung nicht parat. „Die fühlte sich auch mit allem alleingelassen“, sagt Peter K.

Der 33-Jährige war selbst auf der Rückreise erst hellhörig geworden. Im Radio war Corona das Thema und auch Tirol sei dort als Krisenherd genannt worden. „An den Urlaubstagen hatte ich das Handy fast ganz zur Seite gelegt“, sagt Peter K. Von den Corona-Entwicklungen habe er entsprechend nur wenig mitbekommen. Allerdings: Noch am Donnerstagabend, als der dreifache Familienvater wieder zuhause war, da recherchierte er im Netz und wurde fündig. In Cuxhaven hatte es vier nachweislich Infizierte gegeben, die zuvor wie er in Sölden Urlaub gemacht hatten. „Natürlich überlegt man, wo man sich angesteckt habe könnte, die ganze Kette“, sagt er. Am Ende sei es zwecklos.

Allerdings reagierte er äußerst umsichtig, wie auch später die Stendaler Amtsärztin Dr. Iris Schubert bestätigte. Seine beiden größeren Kinder, die zur Grundschule gehen, meldete er unmittelbar am Freitag vom Unterricht ab. Die Großeltern, die in der Nachbarschaft wohnen, mied er. Parallel versuchte er den ganzen Freitag, einen Virentest machen zu lassen.

Erfolgreich war er erst, als er die Notfallnummer 116 117 wählte. Dort schilderte er wieder seinen Fall, gab diesmal allerdings an, dass es ihm nicht gutgehe, obwohl dies zu dem Zeitpunkt noch nicht der Fall war. Als am anderen Telefonende dennoch zögerliches Verhalten zu spüren war, da habe er darauf verwiesen, dass er als Selbstständiger privatversichert sei. Später erhielt er einen Rückruf und einen Termin für 12.15 Uhr am Sonnabend im Fieberzentrum in Magdeburg. „Da sah da aus, wie ich es vorher nur aus dem Fernsehen aus Wuhan gesehen hatte“, sagte Peter K*. Die Helfer waren von Kopf bis Fuß in weißen Schutzanzügen.

Knapp 24 Stunden später bekam der Stendaler dann das Ergebnis: positiv. „Als man mich anrief, da saß ich mit meiner Familie beim Mittagessen“, erzählt er. Näheres wurde ihm dann nicht erläutert. „Das Gesundheitsamt regelt alles weitere“, habe man ihm gesagt. Außerdem solle er das Testergebnis für sich behalten.

Das Gesundheitsamt verordnete dann die Quarantäne, in die er und seine Familienmitglieder, zu denen auch die Eltern gehören, sich da schon längst begeben hatte.

Er könne nicht verstehen, warum er so hartnäckig sein musste, um überhaupt getestet zu werden. „Wenn ich das nicht gemacht hätte, dann würde ich immer noch rumlaufen als wäre nichts gewesen.“ Er glaubt, dass die Dunkelziffer der Infizierten weit höher ist, als die offiziellen Zahlen. Er ist der einzige in der Familie, bei dem die Krankheit bestätigt ist. Aus seiner Reisegruppe haben drei mittlerweile den Nachweis.

Er selbst fühle sich auch jetzt nicht richtig krank, genauso wie seine Frau und die Kinder. „Ich hatte zweimal leicht erhöhtes Fieber und etwas Husten, das war alles“, sagt er. Um die Kinder mache er sich aber schon ein wenig Gedanken, aber bis jetzt sei alles gut. „Man muss den Leuten die Angst nehmen“, sagt er.

Er gewinnt der verhängten Quarantäne positive Seiten ab. „Man schafft jetzt Dinge, die man sonst nie erledigt bekommt“, sagt er. Im Ort habe sich die Sache auch herumgesprochen, weiß er. „Da benutzen einige die andere Straßenseite, wenn sie an unserem Haus vorbeikommen. „Ich habe schon überlegt, ob ich nicht ein Flatterband davor langziehen soll“, sagt er scherzend.

* Peter K. ist nicht der richtige Name des Mannes, dieser ist aber der Redaktion bekannt.