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Projektpräsentation zum Welt-Alzheimertag / Theaterstück, Film und Diskussion beleuchten Krankheit in vielen Facetten Demenz: Wenn Vertrautes plötzlich fremd ist

Von Nora Knappe 23.09.2010, 06:15

Die Bürgerinitiative Stendal stellte am Dienstag mit all ihren Partnern ihr "Stärken vor Ort"-Projekt vor, das den Titel "Altenpfleger – Beruf der Zukunft" trägt. Theaterstück, Dokumentarfilm und Diskussion verdeutlichten eindringlich, aber nicht einseitig, die Vielschichtigkeit des Themas Demenz.

Stendal. "Alt möcht ich werden wie ein alter Baum / mit Jahresringen, längst nicht mehr zu zählen, / mit Rinden, die sich immer wieder schälen, / mit Wurzeln tief, daß sie kein Spaten sticht."

Dieser nachdenklich stimmende Wunsch Louis Fürnbergs stand am Anfang eines langen Nachmittags im Theater der Altmark zum Welt-Alzheimertag. Fürnbergs poetische Vision – eine schöne Vorstellung, auf diese Weise alt zu werden. Aber geht das auch? Oft holt uns die Realität mit ihrem Repertoire an erschreckenden Krankheiten ein. Die Demenz ist nur eine davon. Sich ihr zu nähern und mit ihr umzugehen, ist umso drängender.

Laienschauspieler aus Stendal haben es in einem Theaterstück getan. Johann (Jens Beutel) ist die Hauptperson in "Du, ich und doch wir", er leidet an Demenz, wohnt im Heim. Zum Geburtstag ist er zu Hause zum Essen eingeladen, mit Frau, Kindern, Enkeln, Freunden. Auf eindringliche Weise vermitteln die Schauspieler die Zwiespältigkeit, in die die Krankheit sie führt: Abneigung und Emotionalität, Angst und Verständnis, Unsicherheit und Gelassenheit ergeben ein nachvollziehbares Spannungsfeld. Es fällt schwer, zu sagen: Ich würde mich so oder so verhalten, wenn es in meiner Familie passieren würde.

Die Annäherung an das Thema Demenz wagt auch der Dokumentarfilm "Wohin mit unseren Alten? – Pflege und Demenz im demografischen Wandel" von Babett Jungblut. Ob Pflegende, Oberbürgermeister, Ärztin, Hochschulprofessor, Berufsschullehrerin und -schülerinnen – sie alle haben ihre Sicht auf das Thema, sehen ganz eigene Probleme. Die Essenz: Bei der Pflege müssen alle Beteiligten zusammengebracht werden, Betroffene können mit dieser Herausforderung nicht allein gelassen werden. Auch am Zeitmanagement in Heimen muss sich etwas ändern. Und die drängendste Frage: Wie können Fachkräfte, die ja dringend gebraucht werden, in der Altmark gehalten werden?

Die Rückbesinnung auf Familie und das Interesse für den Nächsten formuliert eine Ärztin als Wunsch für die Zukunft so: "Es wär schön, wenn wir helfen, weil wir den Menschen mögen. Nicht wegen Geld."

Wenn die Angehörigen erst einmal herausgefunden haben, wo sie Hilfe finden und wer sie bei der Betreuung unterstützt, und wenn sie es dann noch geschafft haben, Zeit für sich selbst zu finden, dann scheint alles andere schon gar nicht mehr schwer. Dann sind die Wünsche nach dem, was es ihnen einfacher macht, gar nicht so groß und doch scheinbar schwer umzusetzen. "Eine rollstuhlgerechte Wohnung zu finden, ist gar nicht so einfach", sagt Rita Antusch, bei der abschließenden Diskussion als pflegende Angehörige im Podium. "Und abgesenkte Bürgersteige sind auch noch viel zu selten."

Das Schlusswort den Angehörigen zu überlassen – ein wichtiges Signal bei einer Diskussion zu einem Thema, bei dem Familien einfach eine immense Rolle spielen. Diese Botschaft vermittelt schließlich auch das Theaterstück, in dessen letzter Szene der nach dem gemeinsamen Essen allein im Raum umherirrende Johann sagt: "Ich suche Familie. Heute war schön."