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Stendaler Statue Lenin, ab in die Ecke!

Vor über 25 Jahren wurde Lenin in Stendal demontiert, aber es gibt ihn noch. Die Statue steht kurioserweise im Feuerwehrmuseum.

Von Nora Knappe 23.05.2018, 01:01

Stendal l Dass Lenin in Schriften aller Art seine Gedanken zu weltpolitischen Vorgängen und Utopien manifestierte, ist keine Neuigkeit. Neu hingegen dürfte in hiesigen Kreisen sein, dass sich der Oktoberrevolutionär nicht nur mit ideologischen Fragestellungen befasste, sondern auch mit solchen des Brandschutzes. Das hat jedenfalls vor längerer Zeit schon Michael Schneider, Leiter des Landesfeuerwehrmuseums ins Stendal, mit Staunen festgestellt. Diese Entdeckung hatte ihre Folgen – und wird noch weitere haben.

Lenin, Brandschutz, Stendal? Wie das zusammenpasst, erklärt sich anhand der Lenin-Statue, die seit über 25 Jahren ein stoisch-harrendes Dasein fristet. Und zwar auf dem Gelände des Landesfeuerwehrmuseums in Stendal. Ganz nach der aus einstigen Erziehungs- und Unterrichtsmethoden bekannten Devise „Ab in die Ecke und schäm dich!“ steht die wuchtige Statue in einer schattigen Nische – gar nicht mal so sehr verdruckst, sondern mit irgendwie trotzigem Stolz. Dass sie nun ausgerechnet auf dem Gelände eines Museums zur Feuerwehrgeschichte landete, hat weniger mit der von Kommunisten wie Brandbekämpfern gleichermaßen gewählten Identitätsfarbe Rot zu tun, sondern vielmehr mit inhaltlichen Schnittpunkten.

Eigentlich wollte Michael Schneider dazu noch gar nicht viel verraten, aber bei öffentlichen Veranstaltungen wie zuletzt der Museumsjubiläumsfeier Anfang Mai fällt der Eckensteher Lenin nun mal ins Auge. Nicht neu dürfte sein, dass die Statue, die seit 6. November 1977 als Nachfolgerin der 1969 aufgestellten menschengroßen bronzenen Plastik an der Raw-Kreuzung stand, nach der Wende demontiert wurde: Das war am 17. September 1991.

Neu ist aber vielleicht vielen, dass Michael Schneider, der die Entsorgung des Denkmals befürchtete, es erhalten wollte: „Es ist einfach so geschichtsträchtig. Da wollte ich es retten.“ Und organisierte, dass die riesenhafte Steinfigur in einer nächtlichen Aktion per Kran über die Mauer des Museumsgeländes gehievt wurde. Für ihn auch aus heutiger Sicht noch die richtige Entscheidung: „Damals wurden diese Denkmäler alle verbannt, heutzutage wird in Trier eine neue Marx-Statue aufgestellt.“

Die kurios anmutende Platzierung nun ist kein Zufall, denn wie Schneider herausgefunden hat, hatte sich Lenin nach der Oktoberrevolution 1917 auch um die Neuordnung des Feuerlöschwesens Gedanken gemacht. „Er hat ein Dekret über den Brandschutz mitverfasst, das man dann 1947/48 in der sowjetischen Besatzungszone zur Neuorganisation des Löschwesens heranziehen wollte“, berichtet Schneider. „Darüber habe ich eine Schrift, die ich nächstes oder übernächstes Jahr in Zusammenhang mit dem Denkmal für die Ausstellung in unserem Museum aufbereiten möchte.“

Die russischen Begriffe scheinen ihm vertraut, was beim Durchblick im Lenin-Pamphlet helfen dürfte. Dieses „Dekret über die Organisation staatlicher Maßnahmen der Brandbekämpfung“ wurde übrigens vor 100 Jahren veröffentlicht: am 17. April 1918.