1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Kritik an Stendaler Afrikaforscher

Kolonialismus Kritik an Stendaler Afrikaforscher

SPD-Ortsvorsitzender Jacob Beuchel will eine zeitgemäße Aufklärung über den Stendaler Afrikaforscher Gustav Nachtigal.

Von Thomas Pusch 24.05.2018, 01:01

Stendal l Das Afrikanische Viertel im Berliner Bezirk Wedding hat sich verändert. Dort sind Straßen und Plätze umbenannt worden, weil ihre Namensgeber als zu problematisch erscheinen. Dazu gehört auch der Afrikaforscher und Kolonialkommissar für Westafrika, Gustav Nachtigal.

Der Nachtigalplatz heißt nun Bellplatz und erinnert einerseits an Rudolf Manga Bell, König der Duala im heutigen Kamerun, der sich nach anfänglicher Kooperation mit deutschen Kolonialautoritäten gegen deren aggressiver werdende Landenteignungspolitik zu Wehr setzte. Er wurde wegen seines antikolonialen Widerstandes hingerichtet.

Rudolf Duala Manga Bell gilt in Kamerun als Nationalheld. Andererseits erinnert der Platz nun auch an Emily Manga Bell, die ebenfalls eine Antikolonial-Aktivistin war und erbittert gegen die Hinrichtung ihres Mannes gekämpft hatte.

Die Namensdiskussion im Wedding hat den SPD-Ortsvereinsvorsitzenden Jacob Beuchel auch auf die Spuren des Eichstedters in Stendal aufmerksam gemacht. So radikal wie die Berliner will er mit dem Gedenken allerdings nicht aufräumen. „Unser Ziel ist nicht die Umbenennung, sondern die Aufarbeitung Nachtigals“, sagte Beuchel im Gespräch mit der Volksstimme.

Zusammen mit einigen Mitgliedern der Jungsozialisten hat er eine Arbeitsgemeinschaft gegründet, die sich mit dem Thema auseinandersetzt. Bei einem Tagesworkshop sprach Matthias Beutler, Referent für politische Bildung, über Kolonialismus und Erinnerungskultur.

„Es ist nicht so, dass das Thema Kolonialismus keine Rolle mehr spielt, nur weil Deutschland seit 1918 keine Kolonien mehr hat“, sagte Beuchel im Gespräch mit der Volksstimme. So gebe es Bestrebungen des altmärkischen Lüderitz, mit der gleichnamigen Stadt in Namibia eine Partnerschaft einzugehen. Das gehe nicht, ohne den historischen Hintergrund der Beziehungen zu dem Land, das einstmals Deutsch-Südwestafrika hieß, aufzuarbeiten. Zumal in Afrika auch Überlegungen bestanden hätten, die Stadt umzubenennen.

Es folgte ein historisch-kritischer Stadtrundgang. Er führte zunächst zum Nachtigalplatz, der ab den 1930er Jahren so hieß, die Statue wurde dort bereits 1891 aufgestellt. Gleich gegenüber liegt die Dr.-Arthur-Schulz-Straße, die bis 1969 ebenfalls nach Nachtigal benannt war. Sein Name verschwand im selben Jahr auch vom Platz, der nach Lenin benannt wurde.

Neu hinzu kam die Dr.-Gustav-Nachtigal-Straße im Stadtseegebiet, als 1997 der Edgar-André-Ring umbenannt wurde. „Nachtigal war eine komplexe Persönlichkeit“, meint Beuchel. Er sei sicherlich kein klassischer Rassist gewesen, habe aber in seinen letzten zwei, drei Lebensjahren direkt für das Deutsche Reich gearbeitet.

„Es geht darum, die Person nicht mehr nur einseitig zu betrachten“, erklärte er. Davon könne auch die Stadtgesellschaft profitieren. Beispielsweise durch eine Tafel, auf der näher auf Nachtigals Wirken eingegangen wird. Die Arbeitsgruppe wird ihre Arbeit im Herbst fortsetzen.