Dorfverkauf Ein Dorf sucht neuen Eigentümer
Billberge
Der geplante Verkauf der CJD-Liegenschaft in Billberge ist „für uns ein emotionales Thema“, so Samuel Breisacher, Regionalvorstand des sozialen Unternehmens, gegenüber den Mitgliedern des kreislichen Finanzausschusses.
Es sei der letzte CJD-Standort, der dem Namen „Jugenddorf“ gerecht werde. Eben ein wirkliches Dorf, „mit Ortsschild, Kirche und Friedhof“, begründet Breisacher. Nur zwei Privathaushalte gebe es in dem Ort, die anderen Immobilien gehören dem christlichen Hilfswerk.
Ein Pferdesportvereinblieb zurück
Bereits vor der politischen Wende wurden durch das VEG Arneburg auf diesem Areal Jugendliche ausgebildet. Diese Tradition führte das CJD fort, nachdem es 1991 das Gut vom Landkreis Stendal kaufte. Pferdewirte, Hauswirtschaftler und Handwerker starteten dort ihre berufliche Karriere, „zu Spitzenzeiten über 100 Personen“, erinnert Breisacher. Im Laufe der Jahre schwand die Nachfrage. 2018 seien es nur noch 28 Azubis gewesen. Der Betrieb wurde unwirtschaftlich.
Um den Standort zu sichern, habe das CJD nach alternativen Angeboten gesucht. „Das ist nicht gelungen“, gibt Breisacher zu. Auch der Aufbau einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen schlug fehl, nur eine kleine Gruppe kam in Frage, die Liegenschaft wäre nicht ausgelastet gewesen. Außerdem habe sich die Strategie der Jugendhilfe verändert. Wurden diese Heranwachsenden bisher eher abgeschirmt, setze man nun auf die sogenannte Sozialraumorientierung.
Fazit: Seit 2018 wird im CJD Billberge nicht mehr ausgebildet. Aktuell sei nur noch die Jugendhilfe, eine Mutter-Kind-Gruppe und die begleitende Elternschaft vor Ort. Aber auch diese Angebote werden in kurzer Zeit an den neuen Standort nach Genthin verlagert.
Zurück bleibt der Reitverein, der sich nach jahrzehntelanger Symbiose mit dem CJD neu aufstellte. Dem Engagement der Mitglieder ist es zu verdanken, dass diese Umstrukturierung gelang. Aber vor allem die personellen Kapazitäten sind aktuell ausgereizt, erklärte der Vereinsvorsitzende Torsten Roloff den Kreispolitikern. Allein rund 60 Kinder und Jugendliche sind unter der Anleitung von Ehrenamtlichen im Pferdesport aktiv.
Wie deren Perspektive aussieht, hängt nicht zuletzt davon ab, wem die Gutsanlage künftig gehört. Das CJD will das rund 13 Hektar umfassende Areal mit etwa 8000 Quadratmeter überbauter Fläche nun verkaufen. Zur Debatte stehen unter anderem Gutshaus, Stallungen, Reithalle, Wohnhäuser, Werkstatt- und Lagergebäude, sogar eine Kirche und eine halb verfallene Gruft. Für all diese Gebäude müssen nicht nur neue Nutzungsmöglichkeiten gefunden werden, der neue Besitzer muss sie auch sanieren und dabei teilweise die Auflagen des Denkmalschutzes beachten.
Laut Breisacher würden Angebote und Konzepte von drei Interessenten vorliegen. Diese stellte er im nichtöffentlichen Teil den Mitgliedern des Finanzausschusses vor. Bevor das CJD nämlich einen Zuschlag erteilt ist es gut beraten, sich mit dem Landkreis Stendal abzustimmen.
Konzepte sollenschnell umgesetzt werden
Grund ist der Kaufvertrag zwischen dem Altkreis Stendal und dem CJD aus dem Jahr 1991. Dieser enthält eine Klausel die besagt, dass im Falle eines Weiterkaufes des Gutes durch das CJD, bei dem die Weiternutzung nicht gemeinnützig ist, das Jugenddorfwerk den damaligen Kaufpreis nachbessern muss. Nach Informationen, die der Volksstimme vorliegen, zahlte das CJD damals nicht einmal ein Zehntel des Zeitwertes an den Kreis. Darüber hinaus behielt sich der Landkreis vor 30 Jahren das Vorkaufsrecht vor, sobald das CJD in Billberge keine Gemeinnützigkeit mehr betreibt.
Er hätte dann die Möglichkeit, Billberge zum ursprünglichen Preis, ohne Zinsen allerdings mit Wertsteigerung, zurückzukaufen.
Nach Angaben von Landrat Patrick Puhlmann (SPD) wird sich auch der Kreistag noch mit der Verkaufssache Billberge beschäftigen. Er persönlich sehe gute Perspektiven für die Liegenschaft, der Verfall sei abwendbar.
Im Kaufvertrag zwischen dem Altkreis Stendal und dem CJD von 1991 ist allerdings nicht festgeschrieben, in welchem Zeitraum nach Verkauf ein neuer Eigentümer die Liegenschaft sozialen Zwecken zuführen muss, teilte die Pressesprecherin des Landkreises, Angela Vogel, der Volksstimme auf Anfrage mit. „Ziel ist es jedoch, dass mit der Umsetzung der Konzepte sofort begonnen wird“, so Vogel weiter.