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Familie Für Leopold und Elsa wird es eng

Ein Tangermünder Paar lebt und arbeitet für seine Kinder, doch es reicht nicht, um mobil zu bleiben.

Von Anke Hoffmeister 16.07.2020, 21:00

Tangermünde l Vier Stunden pro Tag bleiben Franziska Weise, an denen sie sich rein theoretisch nur um sich selbst kümmern könnte. In diesen vier Stunden werden Leopold (7) und Elsa (5) in der Stendaler Kindertagesstätte „Abenteuerland“ betreut. Die Geschwister besuchen diese integrative Einrichtung, weil sie mit vielen Defiziten auf die Welt gekommen sind, für die es bis heute keine wirkliche Erklärung gibt. Beide benötigen eine Rundum-Betreuung, da sie nicht selbstständig sind und es wohl auch nie werden können.

Und dennoch sind Franziska Weise (34) und Sascha Schmidt (35) kein Paar, das Trübsal bläst, am Boden zerstört ist oder die ganze Welt verflucht. „Es ist, wie es ist. Und wir machen das Beste daraus“, sagt sie. Poldi, wie das Paar ihren Sohn liebevoll nennt, sitzt auf ihrem Schoß, hat den Kopf an ihrer Schulter angelehnt und träumt.

„Wir haben zwei wunderbare Kinder“, ergänzt der zweifache Familienvater. Elsa sitzt auf seinem Schoß und freut sich jedes Mal, wenn seine Finger über die Palettenmöbel streichen und dabei ein ganz leises Geräusch machen.

„Natürlich ist das eine schwierige Situation. Wir hätten uns auch alles anders gewünscht“, gesteht die gelernte Krankenschwester, die 2005 in Tangermünde ihr Abitur erreicht hatte. „Und natürlich haben wir im Alltag andere Sorgen als andere. Trotzdem genießen wir die Zeit mit unseren Kindern und sind glücklich, dass wir sie haben.“

Die Frage, warum er seine Frau und die Kinder nicht verlassen würde, aufgrund der hohen Belastung, wurde Sascha Schmidt wahrhaftig schon hin und wieder gestellt. Er selbst ist entsetzt über solche Gedanken. „Nur weil die beiden nicht der Norm entsprechen, sind sie doch keine schlechteren Menschen“, gibt er zu verstehen. „Da stehe ich drüber.“ Sie findet: „Er ist ein toller Papa.“ Und zeitgleich ist sie dankbar für seine Einstellung und die Stärke.

Sascha Schmidt kommt ursprünglich aus Bielefeld. Franziska Weise hat ihn nach ihrer Ausbildung dort „mitgenommen“ nach Tangermünde. Hier absolvierte er eine zweite Ausbildung, arbeitet heute als Lagerlogistiker in Schichten in einem großen Unternehmen der Stadt. Sie hatte ursprünglich Medizin studieren wollen, auch bereits begonnen, als Leopold sich 2013 ankündigte. Seitdem ruht das Studium. Ganz an den Haken gehängt hat die junge Frau ihren Traum noch nicht.

Während die Schwangerschaft mit ihrem ersten Kind „problemlos“ verlief, bezeichnet sie die Geburt als „schwierig“. Mit der Nabelschnur um den Hals kam Leopold zur Welt, schrie nicht, musste intensivmedizinisch versorgt werden. Ein Herzfehler wurde festgestellt. „Die Dimensionen seiner Behinderung waren uns zu diesem Zeitpunkt nicht klar“, berichtet sie. Der Kinderarzt hatte aufgrund der Muskelschwäche gesagt: „Ein kleiner Sportler wird er nicht.“

Verzagen kommt und kam für das Paar nie in Frage. „Wir stellen uns täglich den neuen Herausforderungen“, sagt er. Sie fördern ihre Kinder, wo es ihnen nur möglich ist. Leopold und Elsa erhalten in der Kita Physiotherapie, logopädisches Training und Ergotherapie. Regelmäßig sind sie in einem Magdeburger Spezialzentrum zu Besuch.

Die Frage nach dem Warum stellten sich Franziska Weise und Sascha Schmidt natürlich, als klar war, dass sich Leopold nicht normal entwickelt. „Vermutet wird ein Gen-Defekt“, sagt sie. Doch das sei bis heute nicht erwiesen. Die Chance, dass ein weiteres Kind ebenfalls diesen Defekt haben würde, sei ihnen mit vier Prozent beziffert worden – bevor Elsa zur Welt kam. Als Elsa per Kaiserschnitt geboren wurde, war der werdende Vater wieder dabei. „Ich wollte nicht, dass alles so verläuft wie bei Poldis Geburt. Deshalb hatte ich mich für einen Kaiserschnitt entschieden“, begründet die 34-Jährige ihre Entscheidung. Doch dann „fühlten wir uns beide wie zurückversetzt“, erzählen sie. Auch Elsa hatte die Nabelschnur um den Hals, schrie nicht, musste beatmet und intensiv betreut werden. „Sie hat zwar keinen Herzfehler, doch startete auch mit Schwierigkeiten in ihr Leben“, schildert die zweifache Mutter die ersten Monate mit der Tochter an ihrer Seite. „Und natürlich hatte ich immer einen Blick auf ihre Entwicklung, zog Vergleiche und hoffte, dass alles anders wird.“

Doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Mit ihren fünf Jahren kann Elsa noch immer nicht allein aufrecht sitzen, so schwach ist ihre Muskulatur. „Sie zu tragen ist auch schwieriger, weil sie gar keine Körperspannung hat“, beschreibt die Tangermünderin den täglichen Umgang mit ihren Kindern. Während Leopold auch hin und wieder allein stehen kann, ist Elsa dazu nicht in der Lage. Sprechen können sie beide nicht oder kaum. „Poldi kann Mama, Papa und Oma sagen“, berichtet sie. Leopold nimmt seine Umwelt wesentlich intensiver wahr als seine kleine Schwester.

Einen Namen für die Krankheit gibt es nicht wirklich. Als globale Entwicklungsstörung werde es beschrieben, so die junge Mutter. Beide Kinder benötigen 24-Stunden-Betreuung, die ihnen ihre Eltern bieten – Sascha Schmidt neben seiner Schichtarbeit. Gern würde auch die 34-Jährige wieder arbeiten, „um den Kopf freizukriegen“. Doch ungern wolle sie in die Pflege zurück, da diese ja seit mittlerweile sieben Jahren ihren Alltag bestimmt. Aktuell hofft sie, für eine Tätigkeit Zeit zu finden, wenn Leopold und Elsa zur Schule gehen. Für ihn beginnt dieser neue Lebensabschnitt nach diesem Sommer in Havelberg. Dann ist er täglich bis 15.30 Uhr von zu Hause weg.

Doch vorher will die vierköpfige Familie gemeinsam mit Verwandten für ein paar Tage an die Nordsee fahren. „Wir waren noch nie mit den Kindern am Meer“, sagen sie und freuen sich auf die Auszeit vom Alltag, auf die Zeit, wenn vielleicht auch mal Oma oder Geschwister für wenige Stunden die Kinder nehmen.

Noch können Franziska Weise und Sascha Schmidt mit ihren Kindern verreisen. „Mein Opa hat uns seinen Caddy zur Verfügung gestellt. Da passen beide Rollstühle rein“, sagt sie. Doch auch nur dann, wenn einer am Rollstuhl von Leopold mit anfasst. Dieses technische Gerät wiegt fast 50 Kilogramm. Im Herbst wird auch Elsa einen größeren Rollstuhl bekommen. Dann benötigt die Familie ein größeres Auto. Seit Monaten schaut sich Sascha Schmidt nach gebrauchten Kleinbussen um. Ob bereits umgebaut oder nicht, das ist dem jungen Paar egal. Sie wissen, dass sie für die Zukunft ein Fahrzeug mit Rollstuhlrampe benötigen, um die Kinder mit den Rollstühlen direkt hineinfahren und dort befestigen zu können. Denn mit zunehmendem Alter werden die Kinder auch schwerer, was es den Eltern unmöglich machen wird, sie vom Rollstuhl in den Autositz zu heben. Auf staatliche Unterstützung können sie an dieser Stelle nicht hoffen. „Hier wird die Verantwortlichkeit von einer Stelle zur anderen zurückgeschoben“, berichtete die 34-Jährige von ihren Behördenerfahrungen.

Bei der Kleinbus-Anschaffung sind die beiden deshalb an einem Punkt angekommen, der sie vor Grenzen stellt. Aktuell zahlen sie Geld an das Amt zurück, weil er im ersten Halbjahr aufgrund von Schichtarbeit und Feiertagsarbeit mehr Geld erarbeitet hatte, sie jedoch parallel eine Aufstockung zum Lebensunterhalt erhielt. Dieses Mehrverdiente für ein Auto anzusparen, war und ist ihnen damit nicht möglich. Für ihn steht nun auch fest: Schicht- und Feiertagsarbeit lohnen sich nicht.

„Wir nagen nicht am Hungertuch. Wir können den Kindern Kleidung kaufen und ein halbwegs normales Leben führen“, betont sie. „Doch für das dringend notwendige größere Auto wäre es schön, wenn wir Unterstützung bekämen.“

In der katholischen Gemeinde von Tangermünde ist Franziska Weise von Kindheit an zu Hause. Hier finden beide neben ihren Familien Halt. Pfarrrer Peter Gambke hat den ersten Schritt unternommen, damit die junge Familie Spenden erreichen können. „Er hat für uns ein Spendenkonto eingerichtet“, freut sich Franziska Weise. Wer eine Spendenquittung erhalten möchte, gibt mit der Überweisung seine Anschrift an.

 

Wer es Leopold und Elsa möglich machen möchte, dass sie auch künftig mit ihren Eltern unbeschwert außer Haus unterwegs sein können, der kann seine Spende mit dem Verwendungszweck „Ein Auto für Poldi und Elsa“ auf folgendes Konto der Kath. Kirchengemeinde überweisen: IBAN DE50 4726 0307 0040 5753 01.