1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Mehr Pflegekinder im Landkreis Stendal

EIL

Familien Mehr Pflegekinder im Landkreis Stendal

Ein landesweiter Trend macht sich auch im Landkreis Stendal bemerkbar: Immer mehr Kinder müssen in die Obhut von Pflegefamilien.

Von Antonius Wollmann 17.05.2019, 01:01

Stendal l Noch liegen für Sachsen-Anhalt für das Jahr 2018 keine Daten vor, doch es ist davon auszugehen, dass sich an der generellen Entwicklung wenig geändert hat. Gab es im Jahr 2010 1918 Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren in Vollzeitpflege, waren es 2017 landesweit 2650. In sämtlichen Regionen ist die Zahl gestiegen. Der Landkreis Stendal bildet dabei keine Ausnahme.

Im Gegensatz zum Bundesland kann der Landkreis bereits die aktuellsten Zahlen liefern. 148 Kinder kamen im vergangenen Jahr zu Pflegefamilien. Das sind zwar zehn weniger als 2017, aber 37 mehr als im Jahre 2010. In Vollzeitpflege waren 2018 83 Kinder, 28 hingegen in der Bereitschafts-und Kurzzeitpflege.

Ja. Und zwar besonders unter dem Gesichtspunkt, dass die Notwendigkeit steigt, Kinder im Alter zwischen 0 und 8 Jahren ihren Herkunftsfamilien zu entziehen.

Die Pressestelle des Landkreises Stendal verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Fälle von Verwandtenpflege zugenommen haben: Waren es 2010 zehn Fälle, stieg die Zahl 2018 auf 41. Dies ist allerdings nur ein Aspekt, der zudem allenfalls an der Oberfläche kratzt. Von viel weiterer Tragweite ist, dass laut Landkreis mittlerweile mehr Eltern mit mentalen Problemen kämpfen. Denn es „besteht auch zunehmend die Notwendigkeit der Vermittlung von Kindern psychisch kranker Eltern in Vollzeitpflege“, heißt es aus dem Landratsamt auf Nachfrage der Volksstimme. Diese Beobachtung deckt sich mit den Zahlen des Gesundheitsamtes, wonach der sozialpsychiatrische Dienst eine steigenden Zahl an Klienten betreut.

Erkenntnisse zu dieser Frage liefern die Antworten auf eine Große Anfrage der Linkspartei im Landtag Sachsen-Anhalt aus dem März dieses Jahres. Demnach sind die leiblichen Eltern überwiegend auf Sozialleistungen angewiesen. Einen Berufs-oder Schulabschluss können sie ebenfalls selten vorweisen. Der relativ hohe Anteil an Alleinerziehenden ist genauso auffällig. Im Landkreis Stendal lag er im Jahre 2017 bei 29 Prozent.

Generell ist die Unterbringung der Kinder in Pflegefamilien im Falle der Vollzeitpflege auf unbestimmte Zeit angelegt. Durchschnittlich bleiben die Kinder im Landkreis Stendal jedoch zehn Jahre bei den Pflegeeltern, sofern die Rückkehr in die Herkunftsfamilie nicht möglich ist.

Eine Rückkehr von Pflegekindern zu ihren leiblichen Eltern ist prinzipiell möglich. Nämlich insofern die Bedingungen in der Herkunftsfamilie entsprechend stabilisiert sind.

Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Voran geht stets eine Einzelfallprüfung. Dabei prüfen die Mitarbeiter des Jugendamtes, ob eventuell Traumatisierungen vorliegen. Trifft dies zu, wird eine gemeinsame Unterbringung in der Regel ausgeschlossen.

Die Antwort des Landkreises auf diese Frage ist kurz und prägnant: Nein. Parallel zum Anstieg der Pflegekinder wächst naturgemäß genauso der Bedarf an Familien, die bereit sind, Kinder bei sich aufzunehmen. Dies liege an dem bereits angesprochenen Phänomen, dass die Zahl der Pflegekinder im Alter zwischen 0 und 8 Jahren permanent größer wird.

Die Liste an Bedingungen ist lang und die zu erfüllenden Kriterien sind anspruchsvoll. So muss beispielsweise das erweiterte polizeiliche Führungszeugnis einwandfrei sein. Das Gesundheitsamt prüft, ob die Bewerber psychisch und physisch der Aufgabe gewachsen sind. Die finanzielle Situation spielt auch eine Rolle. Die Eignung von interessierten Personen oder Familien stellt schließlich der Pflegekinderdienst des Jugendamtes Stendal fest.

Aus Sicht des Landkreises müsste man dafür so früh wie möglich ansetzen. „Dazu müssen die Erziehungsbedingungen beziehungsweise Fähigkeiten von Eltern verbessert werden, so dass die Notwendigkeit einer Unterbringung außerhalb des Elternhauses möglichst gar nicht erst entsteht“, heißt es vom Landkreis.