Serie (Teil 2): Die Badekappe war fester Bestandteil unserer Freibadkultur im 20. Jahrhundert Freibäder trennen sich von altem Freund
Schallplatte, Telefonzelle, Daumenkino und Bett-socken - gibt´s das noch? Die Volksstimme spürt in einer Serie den Dingen nach. Heute: Die Badekappe
Stendal l Es tue ihm wirklich leid, beteuert der Verkäufer des Sportgeschäfts Altmark Center, aber Badekappen führen er nicht. Die 42-jährige Anastasia Schwab sieht so aus, als hätte sie diese Antwort schon erwartet. "Na gut, dann probiere ich aber trotzdem diesen Badeanzug", entgegnet sie und geht in Richtung Umkleidekabine. Das war der erste Laden, in dem sie nach einer Badekappe gefragt hat. Grund dafür ist der bevorstehende Italienurlaub in zwei Wochen. Die Stendalerin hat gelesen, dass das Schwimmbad dort nur mit einer Badekappe genutzt werden darf. "Mir ist ehrlich gesagt egal, wie die aussieht, Hauptsache ich finde noch eine", sagt sie und setzt ihre Suche in der Stendaler Fußgängerzone fort. Der Verkäufer des Stendaler Sportgeschäfts kennt diese Situation: "Alle vier Monate wird mal nach einer Kappe gefragt, aber das lohnt sich für uns nicht." Der Markt sei aber noch vorhanden. Regelmäßig bekomme er noch Prospekte vom Großhandel zugeschickt. In der DDR sei noch Wert darauf gelegt worden, aber heute ist das Tragen in den meisten Freibädern ja keine Pflicht mehr. In der Stendaler Innenstadt könnte es sich also als eine Herausforderung erweisen, so ein Gummiding aufzutreiben.
Doch woher kommt und seit wann gibt es dieses fast ausgestorbene Relikt vergangener Tage eigentlich?
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Badekappe aus hygienischen Gründen in den ersten Freibädern eingeführt. Die Bäder waren damals zwar schon gechlort, Haare der Besucher verstopften aber immer wieder die Wasserfilter.
Doch eine Frau setzt sich nicht irgend etwas auf den Kopf, nur weil es einen pragmatischen Zweck erfüllt. Dieses Dilemma erkannten auch die Modeschöpfer der damaligen Zeit. Da es in der Mode durchaus üblich war, Hüte zu tragen, war das Bedecken des Kopfes, auch zu Wasser, durchaus naheliegend. So präsentierten auch namenhafte Modedesigner wie Coco Chanel ihre Bademoden immer mit einer dazu passenden Kappe. Egal, ob man sich beispielsweise für die modisch-elegante oder sportlich-legere Variante entschied, schon damals versuchte man, sich durch die Individualität seiner Kappe abzugrenzen. Dabei wurden der Kreativität in Muster, Farbe und Dekor keine Grenzen gesetzt. Neben dem ansehnlichen Erscheinungsbild hatte die Badekappe jedoch gleichzeitig auch den Zweck, aufwendige Frisuren - Stichwort Dauerwelle - von dem zerstörerischen Nass zu beschützen.
Neue Filtersysteme sorgen für Hygiene
Selbst im Stendaler Erlebnisbad Altoa ist das Badekappenthema seit der Wiedervereinigung passé. Durch technischen Innovationen, wie zum Beispiel die neuen Filtersysteme, kann heute auf das Tragen einer Badekappe verzichtet werden. "Nur beim Schulschwimmen tragen die Mädchen mit sehr langen Haaren manchmal noch eine", sagte die Bademeisterin des Erlebnisbads, Sabine Sturm. Die einzigen, die wirklich regelmäßig Badekappen tragen würden, seien die Sportschwimmer. Das liegt aber auch nur an der besseren Wasserverdrängung, da die Schwimmer so stromlinienförmiger sind.
Und wie sie sieht es bei den älteren Damen aus, halten sie noch an der Badekappentradition fest? Christel Menert und ihre Freundin Christa Dworski haben beide die 70-Jahremarke schon geknackt. Das hält die beiden Damen jedoch nicht davon ab, sich noch sportlich zu betätigen. Jeden Dienstag treffen sie sich mit ihrer Schwimmgruppe um ihre morgentlichen Bahnen zu ziehen. Aber auf die Badekappen verzichten die beiden, außer zum Duschen, auch gerne. "Hier sieht man niemand, der eine Badekappe trägt", sagte Christel Menert. Beide erinnern sich noch an die Zeit, als es Pflicht war, eine zu tragen. Doch gerne haben sie sich diese lästigen Hauben nie auf den Kopf gesetzt und auch Christa Dworski ist froh, dass diese Zeit vorbei ist.
Der Mode entkommt man nicht
Die Tage der Badekappe als Modeaccessoire, so scheint es jedenfalls, sind also gezählt. Doch in diesem Punkt ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, soweit man die weisen Worte des deutschen Modegenies Karl Lagerfeld auch auf unsere Badekappe beziehen kann: "Der Mode entkommt man nicht, auch wenn die Mode aus der Mode kommt, ist das schon wieder Mode."