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Freizeit Corona löst Fahrrad-Boom aus

Ronald Neumann verkauft und repariert Fahrräder in Stendal und ist verblüfft von der Nachfrage nach den Drahteseln.

Von Mike Kahnert 02.05.2020, 03:00

Stendal l Der Urlaub fällt aus, Kinos haben zu und Restaurants sind ebenfalls geschlossen. Die Anzahl an Freizeitaktivitäten ist aufgrund der Corona-Krise schwindend gering. Neben dem Spazierengehen ist eine Tour auf dem Fahrrad eine Alternative. Roland Neumann verkauft und repariert Fahrräder in Stendal. Er befürchtet, dass bald sogar verschiedene Einzelteile nicht mehr lieferbar sein könnten.

20 Minuten bevor der Zweiradmechanikermeister sein Geschäft öffnet, steht bereits der erste Kunde mit Mundschutz bekleidet vor der Tür. Zwischen 9 und 18 Uhr hat Roland Neumann geöffnet. In den neun Stunden hat er immer etwas zu tun. Die Fahrrad-Saison begann zwar erst um Ostern herum, doch einzelne Modelle seien bereits ausverkauft. „So etwas Krasses hatten wir noch nicht erlebt“, sagt der 50-Jährige. 1976 hat sein Vater den Laden gegründet. 1986 stieg der Stendaler als Auszubildender mit ein und hat in all den Jahren noch keinen solchen Ansturm auf Reparaturen, Fahrräder oder Einzelteile erlebt.

Normalerweise seien Standardmodelle nach vier bis sechs Wochen wieder lieferbar. Wenn Ronald Neumann jetzt auf die Liefertermine schaut, könne er es kaum glauben. Bestimmte Fahrräder hätten eine Wartezeit von bis zu sechs Monaten.

Die Frage, ob die Corona-Krise für den Fahrrad-Boom verantwortlich sei, beantwortet der Zweiradmechaniker ohne zu zögern: „Ja, definitiv!“ Er vermutet, dass das Geld, das viele Menschen für den Urlaub eingeplant hatten, nun andersweitig ausgegeben wird. „Leute kamen, die den Kauf vom E-Bike erst in zwei Jahren geplant hatten.“ Stattdessen floss das Urlaubsgeld in einen neuen Drahtesel, und aus der Reise in die Ferne wurde eine Radtour durch die Altmark.

Roland Neumann fährt selber gerne Rad. Seine Lieblingsstrecke führt ihn nach Tangermünde, Arneburg und zurück über Wischer nach Stendal. Für den Ausflug in die Altmark kann der Fahrradhändler „alle City- und Trackingräder“ empfehlen, die mindestens sieben Gänge besitzen.

Wer körperlich nicht mehr fit ist und bereit ist tiefer in die Tasche zu greifen, dem empfiehlt der Stendaler ein E-Bike. Diese beginnen üblicherweise bei einem Preis von rund 2000 Euro. Normale Fahrräder in guter Qualität lägen zwischen 400 und 800 Euro. Doch längere Strecken seien auch mit einem E-Bike äußerst anstrengend. Dafür bedarf es nämlich guter Gesäßmuskeln, scherzt der 50-Jährige.

Wer sein Fahrrad länger in einem guten Zustand behalten möchte, müsse dem Zweiradmechaniker zufolge besonders auf zwei Dinge achtgeben. Die Kette des Rades regelmäßig mit Schmieröl bearbeiten und auf den Luftdruck der Reifen achtgeben. „Nicht zu viel, nicht zu wenig“, sagt Roland Neumann. 3,5 bar seien üblich bei normalen Fahrradreifen. Der nötige Wert stünde aber meist auf den Reifen.

Ein häufiges Problem, mit dem Kunden zu dem Stendaler kämen, habe nämlich mit dem Reifendruck zu tun. Wenn das Treten schwer fällt, liegt es meist daran. Doch einem Reifen kurz Luft zu geben, sei noch der geringste Arbeitsaufwand für Ronald Neumann. „Werkstattstechnisch sind wir am oberen Limit“, sagt er.

Besonders ältere Räder müsse der Handwerker derzeit häufig wieder herrichten. Mit dem Anstieg des Reparaturbedarfs ergebe sich aber ein neues Problem: „Es ist zu erwarten, dass bestimmte Teile demnächst ausgehen.“

Italien ist besonders hart von der Corona-Krise betroffen. Von dort wird das Fahrradgeschäft von Ronald Neumann allerdings mit Federgabeln und Sätteln beliefert. Die Nachlieferung komme bereits ins Stocken. Das wäre aber noch verkraftbar. Schließlich könne auch ohne ein passendes Teil hin und wieder improvisiert werden. Schlimm wäre es für den Stendaler, wenn der Nachschub aus Thailand ausfallen würde. Von dort erhält der Unternehmer Fahrradschläuche. Diese werden mit am häufigsten verarbeitet.

Der Andrang werde wohl noch andauern, vermutet der Zweiradmechaniker und sagt: „Alles hängt vom weiteren Verlauf der Corona-Krise ab.“