1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Nur das Wetter kann noch helfen

Gastronomie Nur das Wetter kann noch helfen

Gastronomen fieberten den Lockerungen entgegen, aber der Neustart nach Corona birgt noch viele Stolpersteine.

Von David Boos 30.05.2020, 09:00

Endlich wieder raus, im Sonnenschein lustwandeln, um letzten Endes in einer Gaststätte einzukehren. Durch Corona war dieser einfache Plan lange nicht umzusetzen. Doch am dem 22. Mai war es endlich wieder soweit: viele Gastronomen öffneten wieder ihre Pforten. Doch auch wenn sie nun wieder Gäste empfangen dürfen, ist es bis zur Normalität noch ein langer Weg.

Melanie Busse, Geschäftsführerin des Hotels „Schloss Tangermünde“, strahlt unter ihrer transparenten Schutzmaske. Diese tragen sie und ihre Mitarbeiter beim Kundenkontakt statt einem herkömmlichen Mundschutz. „Im Umgang mit Kunden fehlt sonst die Mimik“, erklärt Busse. Im Schlosshotel gehört Service zur Gesamterfahrung, ebenso das Ambiente. Deshalb kam Essen zum Abholen während der Corona-Zeit nicht in Frage. Stattdessen nutzten die Mitarbeiter die Zeit zur Vollendung der im November begonnenen Renovierung. So wurde unter anderem die Fassade gestrichen, was im Normalbetrieb zu Einschränkungen für die Gäste geführt hätte.

Besonders schwierig war die Situation, als nach ersten Lockerungen Busse aus anderen Bundesländern kamen und sie die Reisenden abweisen musste: „Es tat weh, Gäste aus Berlin wegzuschicken“, so die Hotelchefin.

Auch im Stendaler Steakhaus „Mendoza“ wusste Inhaber Salamoun Issam die Zeit gut zu nutzen. Neben kleineren Renovierungsarbeiten setzte Issam vor allem auf Selbstabholung. Ein traditioneller Lieferservice „macht bei Steaks keinen Sinn“, doch die Selbstabholung wurde von den Kunden gut angenommen. So gut, dass der 57-jährige Issam dieses Modell beibehalten hat und nun sogar einen Rabatt bei Selbstabholung anbietet.

Damit hofft der Gastronom, einen Teil seines Verlustausfalls wettmachen zu können, denn momentan liegt die Auslastung erst bei „ungefähr 40 Prozent“ im Vergleich zur Zeit vor Corona. „Es hängt alles vom Wetter ab“, erklärt der Wirt. „Wenn es regnet und die Terrasse geschlossen ist, kommen viel weniger Gäste.“ Denn viele Menschen haben nach wie vor Scheu, den Innenraum zu betreten, und so steht und fällt das Geschäft momentan mit dem Wetter.

Ähnlich gestaltet sich die Lage beim Tangermünder „Exempel“. Dank eines erfolgreichen Ausnahmeantrags hatte die Gaststätte bereits am Abend des 18. Mai öffnen dürfen. „Als wir zum Herrentag schönes Wetter hatten“, erzählt Inhaber Tiemo Schönwald, „war der Umsatz fast gleich wie früher“. Bei Schlechtwetter gibt es hingegen kaum Kundenverkehr. Während der Schließung der letzten Wochen produzierte das Team zwar selbstgemachte Schutzmasken, das sei aber „nur eine Beschäftigungstherapie“ gewesen.

Im Gegensatz dazu vervielfachte sich aber die administrative Arbeit durch zahlreiche Stornierungen und Umbuchungen im Hotelbetrieb. Der 50-jährige Betriebswirt wird angesichts dieser „Heidenarbeit“ nachdenklich: „Zeitweise verbrachte ich bis zu 80 Prozent meines Tages damit, die Wirklichkeit administrativ abzubilden“.

Besonders schlimm traf es Andrea Thom vom Stendaler Café-Bistro „Lavanderia“. „Es ist eine Katastrophe“, gibt die 49-jährige unter Tränen zu. „Davor hatten wir ein volles Auftragsbuch, nun lauter Absagen“. Sie fühlt sich alleingelassen von der Stadt, und auch die Terrasse kann wegen Bauarbeiten nicht genutzt werden. Aufgrund der vielen Verhaltensregeln seien Kunden noch sehr verhalten, und Thom weiß nicht, „wie lange man das durchhält“. Sie erwägt, nun wieder zu schließen und die Produktion von Abholpaketen wieder aufzugreifen, mit der sie die Corona-Zeit überbrückt hatte.