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Geburt Nur eine Beleghebamme in Stendal

Hohe Versicherungssummen belasten selbstständige Geburtsbegleiterinnen. Hinzu kommen Einnahmeverluste durch die Corona-Pandemie.

Von Kaya Krahn 02.12.2020, 01:00

Stendal l Sobald sich die Tür der Praxis von Stephanie Elsner öffnet, ist es warm und gemütlich.Man fühlt sich wohl. Sie ist die einzige Beleghebamme in Stendal. Das heißt, dass sie als einzige Hebamme zugleich die Vorsorge in der Schwangerschaft macht, die Geburt begleitet und die Nachsorge betreut.

Bis vor einiger Zeit seien es laut der 48-Jährigen noch fünf Beleghebammen in der Hansestadt gewesen. „Sie haben aus verschiedenen Gründen aufgehört. Häufig waren es private Entscheidungen.“ Denn als Beleghebamme muss man immer abrufbar sein. „Ich bin rund um die Uhr erreichbar. Wenn eine Geburt losgeht, muss ich mich auf den Weg machen und bin dann länger weg. 20 bis 25 Stunden sind keine Seltenheit“, sagt die Beleghebamme. Für ihre Familie versucht sie sich wenigstens ein Wochenende im Monat freizunehmen, in den Urlaub fährt sie pro Jahr zwei Wochen. „Ich habe hier keine Vertretung, deswegen wissen die Frauen lange im Voraus, wann ich nicht da bin.“ Ein schlechtes Gewissen habe sie trotzdem immer, wenn sie das Telefon einmal ausschalte.

Dass es in Stendal nur eine Beleghebamme gibt, sei ungewöhnlich. „Ich empfinde eine Beleghebamme für die Stadt Stendal alssehr wenig. Durch den seit Jahren angezeigten Hebammenmangel und die erschwerten Arbeitsbedingungen in der freiberuflichen Geburtsbegleitung sind viele Hebammen in den letzten Jahren aus diesem wichtigen Berufsfeld zurückgetreten“, sagt Udine Bielau, Vorsitzende des Landeshebammenverbandes Sachsen-Anhalt. Eine der erschwerten Berufsbedingungen die Udine Bielau anspricht sind die hohen Summen für die Haftpflichtversicherung. Etwa 8800 Euro pro Jahr seien das laut Elsner ungefähr. „Die Summe steigt pro Jahr um 20 Prozent“, sagt die Stendalerin. Im kommenden Jahr werden die Verträge der freiberuflichen Geburtsbegleiterinnen erneut verhandelt. „Es ist komplett offen, was danach sein wird“, sagt Stephanie Elsner.

Seit 2010 hat Elsner ihre Praxis in Stendal. Sie könne sich gut eine Gemeinschaftspraxis vorstellen, sagt sie. „Da könnte man sich auch mal vertreten oder abwechseln.“ Außerdem könne man dann überlegen, ob Hausgeburten begleitet würden. „Da gibt es Anfragen, aber da ich keine Vertretung habe, kann ich diese Leistung nicht anbieten.“

Neben den generell schwierigen Arbeitsbedingungen bereitet die Corona-Pandemie Probleme. „Ich habe deutlich weniger Einnahmen, weil ich meine Kurse nicht anbieten kann. Wenn ich den Mindestabstand einhalte, dann könnten statt sieben Frauen nur drei teilnehmen, damit wäre ich nicht einmal auf dem Mindestlohn.“ Einzig ihre Geburtsvorbereitungskurse führe sie mit „halber Besetzung“ durch. „Die Geburtstermine verschieben sich durch Corona ja nicht einfach.“ Zudem seien die Geburten unter Corona-Bedingungen für die Frauen zum Teil belastend. „Die werdenden Väter dürfen zwar bis zum Ende der Geburt im Kreißsaal sein, danach gibt es jedoch nur ein 30 minütiges Besuchsrecht pro Tag“, sagt die Stendalerin. Dabei dürfe nur eine Person am Tag kommen, egal ob Vater, weitere Kinder oder die Großmutter. „Deswegen habe ich in letzter Zeit auch mehr ambulante Geburten betreut. Der Wunsch nach der eigenen Familie kann sehr groß sein.“

Die Vernetzung unter den Hebammen in Stendal sei gut. „Auch in der Klinik bin ich immer willkommen. Ich habe nicht das Gefühl, dass es hier ein Konkurrenzdenken gibt.“ Das liegt vermutlich unter anderem daran, dass der Bedarf an Hebammen groß ist. „Ich nehme momentan Frauen für Juli 2021 an, bis Ende Juni bin ich ausgebucht.“ Deswegen sei es sehr wichtig, dass Frauen, die den Wunsch nach einer Beleghebamme haben, sich frühzeitig melden würden. Das heißt, nicht die ersten drei Monate der Schwangerschaft abzuwarten. „Dann ist es häufig bereits zu spät.“ Sie wünscht sich, dass von den Ärzten, die die Schwangerschaft feststellen, eine bessere Kommunikation diesbezüglich ausgehe. Viele Frauen wüssten schlichtweg nicht, was eine Beleghebamme ist, dass sie von ihr während der Geburt begleitet werden können und dass sie sich frühzeitig melden müssen, um angenommen zu werden.

Die Begleitung durch eine Beleghebamme kann für Frauen sehr wichtig sein. Bei dem intimen Erlebnis ein bekanntes, vertrautes Gesicht um sich zu haben, beruhige. „Alle acht Stunden im Krankenhaus eine neue Hebamme zu bekommen, kann die Frauen belasten“, sagt Elsner.

Auch Udine Bielau hält Beleghebammen für wichtig: „Bei einer Geburt in Begleitung einer Beleghebamme kann die eins-zu-eins Betreuung einer Frau unter der Geburt garantiert werden, die in vielen Studien belegte optimalste Begleitform für Mutter und Kind, um eine sichere Geburt mit bestem Ausgang für die Familie zu ermöglichen.“