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Gefahrtgut Wenn der Kessel einen Riss hat...

Gefahrguttransporte auf der Schiene sind im Landkreis Stendal ein Thema. Darum trainierten Spezialkräfte aus rund 30 Feuerwehren dafür.

Von Egmar Gebert 02.08.2018, 03:00

Stendal l Auf einem Güterwaggon ist Ladung verrutscht. Ein Maschinenteil ragt zur Seite heraus. Zwar steht der Waggon bereits, aber auf dem Nebengleis rollt ein Zug mit Kesselwagen in den Bahnhofsbereich ein. Folge des Zusammenstoßes: Der Kessel an einer Stelle wird eingedrückt, reißt auf einer Länge von 20 Zentimetern. Flüssigkeit tritt aus.

Auch wenn es einen solchen oder ähnlichen Unfall in Stendal noch nicht gab, darauf vorbereitet sein sollte man im Landkreis angesichts des zunehmenden Güterverkehrs auf der Schiene auch in Stendal. Aus diesem Grund hatten 68 Feuerwehrmänner und -frauen aus mehr als 30 Wehren der neun Einheits- und Verbandsgemeinden des Landkreises Gelegenheit, das richtige Handeln bei so einem Einsatz zu trainieren. Den ganzen Tag dauerte die Ausbildung auf der Ladestraße des Stendaler Bahnhofs. „Ideales Gelände dafür“, sagt Bernd Minschke vom Notfallmanagement der Deutschen Bahn (DB) Netz.

Er und sein Teamleiter Frank Barby hatten den Feuerwehrleuten – zum größten Teil die Spezialisten ihrer Wehren, was das Handeln bei Gefahrgutunfällen angeht – diesen Ausbildungstag ermöglicht, indem sie dafür sorgten, dass der Ausbildungszug „Gefahrgut“ der DB Netz Notfalltechnik in Stendal Station macht.

Alle vier oder fünf Jahre ist das möglich, denn der Zug mit seinen vier speziell hergerichteten und verschiedenste Unfallszenarien simulierenden Waggons ist der einzige bundesweit und für das Training solcher Unfallsituationen entsprechend gefragt.

Während der Fischbecker Wehrleiter André Köppe und weitere Kameraden aus Seehausen und Fischbeck das Leck am Kesselwagen, aus dem in diesem Fall natürlich nur klares Wasser läuft, mit Hilfe einer Moosgummimatte, eines speziellen Dichtkissens und zweier Spanngurte verschließen, sitzen die Frauen und Männer einer weiteren der für diese Ausbildung gebildeten Gruppe bei Uwe Lindenberg im hinteren, zu einem Unterrichtsraum umgebauten Waggon. Lindenberg, Experte für Gefahrgutsimulationen und als solcher in ganz Deutschland mit „seinem“ Zug unterwegs, macht sie mit theoretischen Grundlagen vertraut.

Die nächste Gruppe betritt derweil das Innere eines Kesselwagens. Hier neben seinem originalen Innenleben interessant: 65 verschiedene Armaturen- und Sicherheitsventilarten, die an einem Waggon verbaut sein können, werden teils auch als Schnittmuster präsentiert. Der Umgang mit ihnen wird anschließend draußen an diesem Waggon geübt, und mehr noch.

Der Ausbildungstag in Sachen Gefahrgut ist ein Gemeinschaftsprojekt, der Landkreis mit seinen Fachdiensten im Katastrophenschutz ebenfalls präsent. Geschult wird auch in den Fachdiensten Brandschutz und technische Hilfeleistung sowie zum Umgang mit Chemischen, Biologischen, Radiologischen und Nuklearen (CBRN) Gefahrenstoffen.

Technik, Ausrüstung und Ausbilder, über die der Landkreis diesbezüglich verfügt, waren vor Ort. Unter anderem einer der beiden CBRN-Erkundungskraftwagen, die bei den Feuerwehren in Stendal und Osterburg stationiert sind, und beide Dekontaminations- fahrzeuge die bei den Feuerwehren in Tangerhütte und Seehausen vorgehalten werden. Das Messen der Konzentration von CBRN-Stoffen war damit gestern ebenso Ausbildungsthema wie das fachgerechte Entfernen von gefährlichen Verunreinigungen (das bedeutet das Wort Dekontamination) von der Schutzbekleidung, die von Feuerwehrleuten während solcher Einsätze getragen wird. Für die wenigsten der 68 Männer und Frauen, die für diese Ausbildung nach Stendal gekommen waren, handelte es sich um Neuland. Die meisten von ihnen sind durch Lehrgänge an der Landesfeuerwehrschule in Heyrothsberge mit diesen Themen vertraut. „Uns geht es um das Vertiefen, das Festigen solchen Wissens“, begründet Armin Vinzelberg, Sachbearbeiter Brandschutz beim Landkreis. Er war ebenso vor Ort wie Feuerwehr-Kreisausbildungsleiter Hans-Hermann Haag. Vinzelberg: „Wir sehen in diesen Kameraden Multiplikatoren, die das Wissen in ihren Wehren weitergeben. Immerhin haben wir im Landkreis rund 5000 Einsatzkräfte, die können wir nicht alle hier schulen.“