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Gericht Angeklagte stellt dreiste Anzeige

Das Amtsgericht Stendal hat eine 50-Jährige wegen Fahrens ohne Fahrerlaubsnis zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt - auf Bewährung.

Von Wolfgang Biermann 18.12.2020, 07:00

Stendal l Am Ende des zweiten Prozesstages hat das Amtsgericht in Stendal eine 50-jährige, bislang scheinbar unbelehrbare Wiederholungstäterin aus der Rolandstadt wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Das Gericht setzte die Freiheitsstrafe aber für drei Jahre zur Bewährung aus. Dazu muss die Angeklagte 120 Stunden Sozialarbeit ableisten.

Seit 2016 fällt sie ständig wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis auf. 2018 wurde sie deshalb zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, nachdem Geldstrafen nicht gefruchtet hatten. Weil sie im vorigen Jahr zu einem Jahr Gefängnis ohne Bewährung verurteilt wurde, die Haftstrafe aber im Januar dieses Jahres nicht antrat, wurde sie mit Haftbefehl gesucht. Trotzdem konnte sie es nicht lassen.

Am 30. Januar beobachtete ein zufällig vorbeikommender Polizist in Zivil die Angeklagte auf dem Gelände einer Tankstelle in Osterburg am Steuer eines Pkw beim Befahren der Waschanlage. Von der Waschstraße kam sie direkt in eine Justizvollzugsanstalt für Frauen in Sachsen. Zu den zwölf Monaten Gefängnis vom Vorjahr kamen dann noch zwei weitere Monate aus der widerrufenen Bewährung aus 2018. Verbüßen musste sie insgesamt aber nur die Hälfte. Die andere Hälfte wurde von der dafür zuständigen Strafvollstreckungskammer am Landgericht in Bautzen (Sachsen) zur Bewährung ausgesetzt.

Mit dem aktuellen Urteil steht sie nun unter doppelter Bewährung. In das Urteil floss noch eine Strafe wegen falscher Verdächtigung ein.

Am 30. Januar, dem Tag ihrer Festnahme, hatte die 50-Jährige dreist Anzeige wegen Diebstahls erstattet. Angeblich sei ihr ein Pferdeanhänger gestohlen worden. Wie sich jetzt im Prozess aber eindeutig herausstellte, hatte sie diesen Anhänger im Vorjahr für 400 Euro verkauft. Der Käufer hatte den Anhänger aber offenbar nicht abgemeldet, so dass die Angeklagte dafür noch Steuern und Versicherung bezahlen sollte. Um das zu umgehen, hatte sie Anzeige erstattet.

Die Staatsanwaltschaft hatte im Prozess mehrfach angeregt, die Angeklagte psychiatrisch begutachten zu lassen. Das aber hatte das Gericht abgelehnt. Er sehe wohl eine Intelligenzminderung bei der zu 100 Prozent behinderten Angeklagten, die nach eigenem Bekunden fast nur ihren Namen schreiben kann. Gleichwohl sei sie bislang „mit Bauernschläue durchs Leben gekommen“, hieß es in der Urteilsbegründung des Vorsitzenden Richters Rainer Mählenhoff. Eine Begutachtung stünde nicht im Verhältnis zu den Taten. Zudem habe sie jetzt „Erfahrungen im Knast“ gesammelt. Die 50-Jährige hatte im Prozess Besserung gelobt. Der von ihr genutzte Pkw sei wohl noch auf sie zugelassen, aber sie lasse sich jetzt immer fahren.