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Gericht Zum Blumenkauf „verurteilt“

Verhandlung am Amtsgericht Stendal: 42-jähriger Heimbewohner rastet aus und bedrohnt Mitarbeiterin. Prozess endet ungewöhnlich.

Von Wolfgang Biermann 16.10.2020, 07:00

Stendal l Mit einer eher seltenen Auflage anstelle einer Strafe endet ein Prozess am Amtsgericht Stendal. Strafrichter Rainer Mählenhoff entschied, dass der 42-jährige Angeklagte von seinem wöchentlichen Taschengeld in Höhe von zehn Euro Blumen kauft und diese der von ihm bedrohten Mitarbeiterin schenkt. Eine Entschuldigung von ihm gab es schon im Gerichtssaal.

Der Angeklagte, der in einer Wohngruppe in einer sozialen Einrichtung im Landkreis Stendal lebt und wegen Diebstahls geringwertiger Sachen einmal vorbestraft war, soll diesmal eine Heimmitarbeiterin am 6. April mit teils obszönen Ausdrücken beleidigt und schließlich auch mit dem Tode bedroht haben.

Die Mitarbeiterin, die Anzeige erstattet und Strafantrag gestellt hatte, nahm die Entschuldigung an. Sie zu beschimpfen und ihr damit gedroht zu haben, sie umzubringen, war aber nicht alles, was dem gebürtigen Sachsen vorgeworfen wurde. Er soll am Tattag den sogenannten Hitlergruß entboten haben. Außerdem wurde dem 42-Jährigen Sachbeschädigung zur Last gelegt. Demnach hatte er versucht, die Tür einzutreten, hinter der sich die von ihm beleidigte und bedrohte Heimmitarbeiterin verschanzt hatte.

Wie sich nach Anhörung der amtlichen Betreuerin des 42-Jährigen herausstellte, war dieser darüber frustriert, dass er seine in Sachsen lebende Schwester damals nicht besuchen durfte. Wegen der Verordnungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie waren keine Reisen erlaubt. Das Verbot hätte das Ausrasten zur Folge gehabt, erklärte die Betreuerin, worauf der Richter Mählendorf den Angeklagten ins Gewissen redete: „Sie dürfen Ihre Launen nicht an Personen und Sachen auslassen; die Heimmitarbeiter haben daran keine Schuld.“

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft regte die Einstellung des Verfahrens ohne jeglichen Sanktionen an.