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Gerichtsprozess Wirrwarr um einen Verkehrsunfall

Vorgeworfen wurde einem Stendaler, einen Unfallgegner falsch verdächtigt zu haben. Nachgewiesen wurde es ihm nicht.

Von Wolfgang Biermann 21.08.2020, 07:00

Stendal l Des schweren Vorwurfs der falschen Verdächtigung, die vom Gesetz mit Gefängnis bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bedroht ist, musste sich ein Stendaler jetzt vor dem Amtsgericht erwehren.

Der nicht vorbestrafte Berufskraftfahrer war sich offensichtlich keiner Schuld bewusst. Das sahen letztlich Staatsanwalt, Richter und Verteidiger in seltener Einmütigkeit ebenfalls so.

Der 61-Jährige sollte gemäß Anklage einem fremden Autofahrer zu Unrecht die Schuld an einem Verkehrsunfall vor über zwei Jahren mit anschließender angeblicher Flucht zugeschrieben haben. Der Prozess endete wohl nicht mit einem Freispruch, dafür wären laut Gericht noch weitere Beweiserhebungen nötig gewesen, aber immerhin mit einer Einstellung ohne Auflagen.

Worum ging es? Der Angeklagte gab an, dass er am 4. Januar 2018 in der Hansestadt Stendal unterwegs war und mit seinem Pkw vorfahrtsberechtigt vom Nordwall kommend in die Wendstraße zum Krankenhaus abbiegen wollte. Aus der Wendstraße sei ein wartepflichtiger anderer Pkw einfach losgefahren. Es hätte einen „fürchterlichen Knall“ gegeben, den nach Angaben des Angeklagten auch zwei Rettungssanitäter, ein Paketbote und ein Radfahrer mitbekommen haben sollen.

Der Angeklagte hätte dann die Kreuzung geräumt und gedacht, der mutmaßliche Unfallgegner würde es ihm gleich tun, um dann die Formalien zu erledigen. Doch das andere Fahrzeug soll sich gen Richtung Schützenplatz entfernt haben. Der Paketbote fuhr mit seinem Wagen hinterher, hätte ihn aber an der Ampelkreuzung „verloren“. Alle hätten sich als Zeugen zur Verfügung gestellt, doch nur den Radfahrer soll die herbeigerufene Polizei im Protokoll festgehalten haben.

Der vermeintliche Unfallverursacher wurde von der Polizei ermittelt. Das sich anschließende Verfahren war aber eingestellt worden. Der renommierte Unfallsachverständige Carsten Wegner aus Potsdam hatte dem Pkw-Fahrer nämlich gutachterlich bescheinigt, dass die ihm zugeordneten Schäden am Auto des Stendalers nicht mit den seinen kompatibel waren. Allerdings wollte der Gutachter nicht ausschließen, dass der Fremde gegen das Rad des Stendaler Autos gefahren sei und so den Knall verursacht haben könnte, den sowohl der Angeklagte als auch die Zeugen gehört hatten.

Der 61-Jährige räumte vor Gericht ein, dass sein jetzt nicht mehr in seinem Besitz befindliche Auto etliche kleine Vorschäden gehabt hätte. Es sei ein „Waldfahrauto“ gewesen. Den Paketboten und die Rettungssanitäter habe er aus Datenschutzgründen nicht ermitteln können, sagte der Verteidiger.

Blieb nur der Radfahrer. Der 49-Jährige bestätigte die Angaben des Angeklagten zum Unfall und zum Knall. Seine Aussage war schließlich entscheidend für die Verfahrenseinstellung.