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Kunst „Graffiti ist nicht nur Schmiererei“ - Sprayer aus Stendal gestalten Wand am Tiergarten

Ein Stendaler möchte die Graffiti-Kunst von ihrem schlechten Ruf befreien. Projekte, wie am Tiergarten in Stendal, sollen dabei helfen.

Von Mike Kahnert Aktualisiert: 10.08.2021, 14:10
Graffitikünstler Christian und Tiergartenleiterin Anne-Katrin Schulze präsentieren das neue Kunstwerk  am Tiergarten in Stendal.
Graffitikünstler Christian und Tiergartenleiterin Anne-Katrin Schulze präsentieren das neue Kunstwerk am Tiergarten in Stendal. Foto: Gerhard Draschowski

Stendal - Nördlich der Galgenberg-Siedlung führt ein Weg – nein – ein schmaler Trampelpfad durchs Gestrüpp. Nach wenigen Metern zeigt sich hinter einer zugewucherten Wand das wohl größte zusammenhängende Kunstwerk Stendals: Eine endlos lang erscheinende Graffiti-Mauer. Sie ist gut versteckt. Fast als würde sich die Stadt, die Gesellschaft dafür schämen. Doch es ist der einzige Ort in Stendal an dem Graffiti-Künstler wie Christian, wie er lediglich genannt werden möchte, legal sprühen dürfen. Mit Projekten wie dem realitätsnahen Konzeptbild am Tiergarten wollen sie aus dem Schatten treten und die Öffentlichkeit für ihre Kunst gewinnen.

„Graffiti ist nicht nur Schmiererei“, sagt der Stendaler. Und das Graffito auf der Seite des Uchtewalls am Tiergarten ist weit davon entfernt, eine Schmiererei zu sein. Das Kunstwerk wurde in dieser Woche offiziell übergeben. Fünf Arbeitstage hat Christian mit Freunden aus der Szene an dem Bild gearbeitet und sich schließlich mit ihren „Tags“, also ihre Künstlernamen im Graffiti-Stil, darauf verewigt.

Graffiti-Szene hat einen schlechten Ruf

Christian ist sich dem schlechten Ruf der Graffiti-Szene bewusst, denn viele „Sprayer“ (dt. Sprüher) gehen ihrer Kunst illegal nach. Sie besprühen Hauswände oder Zugwaggons. Er selbst habe früher illegal gesprüht. Deswegen ist er vorsichtig, wenn es um seine Identität geht. Selbst zu der Frage nach seinem Alter sagt er nur „Ende 30“. Und auch seinen Künstlernamen behält er für sich. Wer seinen „Tag“ an der Tiergartenwand lesen kann, kann es eben. Wer ihn kennt, der kennt ihn. Wer außerhalb solcher Kreise Interesse an seiner Arbeit hat, hat es schwer. „Wir suchen uns die Leute aus“, sagt der Stendaler, der seit vier Jahren nur noch legale Graffiti anfertigt. So auch beim Tiergarten: „Ich habe den Tiergarten Stendal angesprochen, ob wir die Wand besprühen dürfen.“

In Stendal Nord befindet sich eine mehrere Hundert Meter lange Mauer, die fast vollständig mit Graffiti bedeckt ist. Graffiti-Künstler dürfen dort legal sprühen.
In Stendal Nord befindet sich eine mehrere Hundert Meter lange Mauer, die fast vollständig mit Graffiti bedeckt ist. Graffiti-Künstler dürfen dort legal sprühen.
Foto: Mike Kahnert

Die Zusammenarbeit hat gefruchtet. Ein Konzept aus verschiedenen Tiermotiven ist entstanden. Glühwürmchen, Papageien, eine Eule und ein Tiger sind unter anderem zu sehen. „Tiger (in the) Woods“ lautet der Titel des Kunstwerks, so Christian. Es ist eine Anspielung an den Spitznamen des amerikanischen Golfspielers Eldrick Tont Woods und daran, dass man eben einen Tiger in einem Wald sieht.

Weitere Graffiti-Projekte in Stendal und Tangermünde in Planung

Weitere Aufträge für große Graffiti-Bilder seien schon in Planung. So soll eine andere Wand des Tiergartens an der Uchtewall-Seite in ein ebenfalls realitätsnahes Tierbild verwandelt werden. Einen weiteren Auftrag gibt es aus Tangermünde. Der ehemalige Speicher am Hafen soll verschönert werden. „Wir dachten an ein Schiffswrack“, sagt Christian, der seit er 15 ist, Graffiti macht. Im September sollen die Arbeiten daran beginnen. Und auch, wenn die Details noch nicht feststehen, soll auf der nördlichen Seite der Eisenbahnbrücke an der Osterburger Straße in Stendal ein Graffito entstehen, teilt Armin Fischbach vom Büro des Oberbürgermeisters auf Nachfrage mit. Damit sollen zahlreiche illegale Graffiti überdeckt werden. Das sei einer der Vorteile von professionellen Graffiti. Andere „Sprayer“ würden diese nicht beschmieren. „Es ist der Respekt da in der Szene“, sagt Christian.

Wenn sich der Künstler eins wünschen würde, dann mehr legale Graffiti-Wände in Stendal. Die Wand am Industriegelände in Nord sehe niemand. Doch er möchte seine Kunst präsentieren. Genauso wie mit dem Bild am Tiergarten.