Radverkehr Hat die Stadt Stendal bei der Fahrrad-Politik ihre Chance vergeben?

Stendal
Als Werner Hartig den Volksstimme-Beitrag über die Ergebnisse des ADFC-Fahrradklima-Tests 2020 gelesen hat, hat er nicht schlecht gestaunt. Nicht wegen der Ergebnisse, die kannte er als Mitglied der ADFC-Regionalgruppe Stendal/Tangerhütte bereits. Gestaunt hat er über einige Aussagen aus dem Stendaler Rathaus. Die zum Beispiel, in der Stadtsprecher Armin Fischbach von einem „ernüchternden Ergebnis“ sprach und dies auch auf die nur 129 Teilnehmer an der Umfrage bezog. Fischbachs Einschätzung: Für eine Stadt mit rund 40.000 Einwohnern sei dies zu wenig. 2018 hatte es 111 Teilnehmer gegeben, 2016 (erste Teilnahme Stendals) waren es 155.
Stendal weist Vorwürfe zurück
So einfach könnten es sich die Verantwortlichen jetzt nicht machen, reagierte Werner Hartig und fügte hinzu: „Die Stadt hat ihre Chancen vergeben.“ Denn seiner Meinung nach hätte sie lauter und intensiver die Werbetrommel für die Umfrage rühren müssen. Per E-Mail habe er sowohl den Oberbürgermeister als auch Armin Fischbach selbst darum gebeten, den Fahrradklima-Test zu bewerben. Eine Antwort habe er nicht bekommen. Hartig: „Mir ist nicht bekannt, dass die Stendaler Öffentlichkeit zur Teilnahme aufgerufen worden ist.“ Bei der 2018er Umfrage sei dies anders gewesen, damals habe die Stadt sehr aktiv das Anliegen unterstützt. Von einer Stadt, die Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen ist, hätte er mehr Werbung erwartet – auch, weil die Ergebnisse dabei helfen sollen, die kritisierten Punkte besser zu machen.
Seine persönliche Beobachtung sei, dass seitens der Stendaler Stadtverwaltung im Gegensatz zu allen Lippenbekenntnissen das Interesse an einem besseren Radverkehr nicht vorhanden ist. Ein Beleg dafür sieht er darin, dass vom Radverkehrskonzept 2001 nur sehr wenig umgesetzt wurde. Werner Hartig wünscht sich gerade in diesem Bereich mehr Engagement, „denn der Straßenverkehr hat eine Schlüsselposition im Klimaschutz“.
Klimawandel könne nur durch eine Verkehrswende gebremst werden
Mittlerweile wisse jedes Kind, dass der Klimawandel nur durch eine Energie- und eine Verkehrswende gebremst werden kann. „Viele Menschen sind enttäuscht, dass sich auch in der Verkehrspolitik hier vor Ort so wenig ändert. Von der Gleichberechtigung der Verkehrsarten, von der Förderung nachhaltiger Mobilität, sind wir weit entfernt“, hatte Werner Hartig schon im vorigen September während einer „Fairkehrswende“-Demo auf dem Stendaler Marktplatz festgestellt.
Die Kritik an mangelnder Unterstützung weist Armin Fischbach zurück. Die Hansestadt Stendal habe den ADFC-Fahrradklima-Test „nach allen uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten beworben“, bekräftigte er auf Nachfrage. Es habe einen Artikel auf der städtischen Website gegeben, „über den alle Interessenten schnell und unkompliziert direkt zur Online-Umfrage auf der Website des ADFC kamen. Wir haben über unsere Social-Media-Kanäle auf den Fahrradklimatest aufmerksam gemacht. Auch bei den ersten Treffen der Arbeitsgruppe zur Erarbeitung der Erweiterung des Stadtentwicklungskonzepts zum Teilthema Klima und Umwelt wurde auf den Klimatest hingewiesen, solange die Teilnahme noch möglich war.“ Der Umfang der Werbung seitens der Stadt sei durchaus mit der von 2018 zu vergleichen. Fischbach: „Den Vorwurf von Herrn Hartig halte ich in diesem Punkt für haltlos.“
Wegweiser für Radfahrer fehlen in Stendal
Die Werbung für den Test ist für Werner Hartig aber nicht der einzige Punkt, in dem er anderer Meinung ist. Ganz anders interpretiert er zum Beispiel die Kategorie Wegweisung für Radfahrer, für die es die Gesamtnote 4,8 gegeben hat. Aus dem Rathaus hieß es, dass mit dem Aufstellen einer touristischen, knotenpunktbasierten Wegweisung in diesem Jahr eine Verbesserung erwartet wird. Das ADFC-Mitglied hält dagegen: „Die Kategorie bezieht sich auf die innerörtlichen Verhältnisse, eher nicht auf die außerörtlichen, touristischen Wegweisungen. Was es noch nicht gibt, sind also Hinweise, wie ich zum Beispiel vom Bahnhof zum Marktplatz fahre.“
Bei der Verbesserung der schlechten Noten aus dem Fahrradklima-Test setzt die Hansestadt Stendal auf das Radverkehrskonzept, das Anfang des Jahres vom Stadtrat beschlossen wurde. Darin werden viele der bemängelten Punkte thematisiert, hieß es aus dem Rathaus. Für Werner Hartig, Mitglied im ADFC-Landesverband Sachsen-Anhalt, ist das Konzept „eine grundlegende Orientierung, doch bei der Festlegung der zeitlichen Abfolge von Maßnahmen sind sehr wohl sich verändernde Rahmenbedingungen, vor allem im Verkehrsrecht, zu berücksichtigen“. Das betreffe schon die im April vergangenen Jahres geänderte Straßenverkehrsordnung, zum Beispiel die Mindestabstände beim Überholen von Radfahrenden. Demnächst werde es auch eine neue Ausgabe der Empfehlungen für Radverkehrsanlagen, zuletzt geändert 2010, geben, so Hartig.