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Heimat-Wechsel Vom Gardasee an den Stadtsee

Alice Stagnoli hat ihre Heimat Italien verlassen und arbeitet in Stendal als Tierärztin. Außerdem will sie einen Italienischkurs geben.

Von Nora Knappe 08.07.2016, 01:01

Stendal l „Italienisch ist sehr charmant und musikalisch.“ Das ist die in kurze Form gebrachte Werbung, die Alice Stagnoli für ihren Sprachkurs macht. Ab 30. August bietet sie an der Städtischen Volkshochschule Stendal „Italienisch für Anfänger“ an. Sich begrüßen und vorstellen, Vokabeln zu den Themen Familie und Gastronomie, Wendungen für den Urlaub „und natürlich ein bisschen Grammatik“, das möchte Alice Stagnoli in ihrem Kurs vermitteln (siehe Infokasten).

Es wird nicht das erste Mal sein, dass sie Ausländern ihre Muttersprache beibringt. In Italien hat sie bereits drei Jahre lang Kurse für Migranten gegeben. Und um diesen Kurs geben zu können, hat sie selbst wiederum einen Qualifizierungskurs besucht. Denn beruflich hat Alice Stagnoli mit Pädagogik gar nicht zu tun – sie hat nämlich Tierärztin studiert, in Italien.

Seit einem halben Jahr nun ist die 28-Jährige in Stendal – Stadtsee statt Gardasee also. Kaum dass sie hier angekommen war, hat sie sich schon in die Arbeit gestürzt: Bei dem Stendaler Tierarzt Ingo Bormke hat sie ein Praktikum begonnen, aus dem mittlerweile eine Anstellung als Assistentin geworden ist. „Sie spricht so gut Deutsch, dass das gar kein Problem ist, die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut“, sagt Bormke, der sie erst einmal unbefristet angestellt hat. Für eine EU-Bürgerin ist das ganz problemlos möglich, sofern sie neben ihrem Uni-Abschluss entsprechende Deutschkenntnisse nachweisen kann.

Die hatte Alice Stagnoli bis vor Kurzem eigentlich so gut wie gar nicht, weshalb sie nun für ein halbes Jahr fünfmal in der Woche noch an einem Integrationskurs der Volkshochschule teilnimmt. Ungläubigem Nachfragen, ob das denn bei ihrem beinahe tadellosen Deutsch, das sie im Volksstimme-Gespräch an den Tag legt, nötig sei, begegnet sie mit einem „Es soll noch ein bisschen besser werden.“

Dass sie die Sprache ihrer Wahlheimat schon so gut wie fehlerfrei beherrscht, mag wohl an Sprachtalent und -begeisterung liegen, vielleicht auch daran, dass sie zusammen mit ihrem Lebensgefährten Robert nach Stendal gekommen ist – der zwar in Italien geboren und aufgewachsen ist, dort aber auf eine deutsche Schule ging, demzufolge Deutsch als Quasi-Muttersprache lernte und Italienisch kurioserweise als erste Fremdsprache. An der Universität haben sie sich kennengelernt, auch er studierte Tierarzt. „Wir haben lange in Italien Arbeit gesucht, aber keine richtige Anstellung gefunden“, sagt Stagnoli. „Dann hat Robert sich auf eine Stelle als Veterinär in Stendal im Landesamt für Verbraucherschutz beworben und hat sie bekommen.“

Und so kam Alice Stagnoli eben mit – in diese für beide bis dahin unbekannte deutsche Kleinstadt. „Ich mag kleine Städte“, sagt sie, die in Desenzano am Gardasee aufgewachsen ist, einer Stadt von der Größe Stendals. Und deshalb fällt ihr die Eingewöhnung hier auch nicht schwer. „Es gibt viele Parks, das gefällt mir, ich gehe gern spazieren.“ Und die Gelateria in der Breiten Straße hat auch schon ihr Wohlwollen gefunden.

„Für uns ist es eine große Chance und eine Möglichkeit, hier eine Familie zu gründen“, sagt Alice Stagnoli über ihr Hiersein und bekennt ohne Zögern: „Wir möchten gern in Stendal bleiben.“ Und damit sie selbst irgendwann mit ihrem Deutsch zufrieden ist, liest sie auch viel auf Deutsch: Angefangen hat sie mit den Kinderbüchern der „Conni“-Reihe, mittlerweile ist sie an einer Jugendbuchserie dran. „Manchmal lese ich mit Wörterbuch, aber noch besser ist, wenn ich meinen Freund fragen kann.“

Und da sie gerade selbst erfährt, wie schön und bereichernd es sein kann, mithilfe einer fremden Sprache neue Perspektiven einzunehmen und den eigenen Horizont zu erweitern, möchte sie das gern auch anderen ermöglichen. Indem sie ihnen Italienisch beibringt. „So kann man eine andere Kultur kennenlernen, es öffnet den Blick auf die Welt. Viele Deutsche fahren nach Italien in den Urlaub, da ist es doch schön, wenn man ein paar Sachen sagen kann oder versteht.“ Außerdem sei Italienisch die Sprache der meisten Opern, gibt sie noch als Anreiz für Zögerliche mit. Sie selbst liebt ja Opern: „Jeden Sommer habe ich mit meiner Oma in der Arena von Verona Opern angeschaut. ‚Aida‘ ist meine Lieblingsoper, es war die erste, die ich als Kind gehört habe.“

Und schwierig sei Italienisch gar nicht. „In meinem Integrationskurs sind Leute aus Ländern, in denen Arabisch gesprochen wird. Das ist eine schwierige Sprache.“ Ja, und das Deutsche hat natürlich auch so seine Tücken. „Für die Artikel gibt es im Italienischen klare Regel, im Deutschen sucht man immer nach einer Regel, aber die gibt es nicht, da muss man einfach lernen. Schwierig sind auch die zusammengesetzten Wörter.“

Und doch gibt es Wörter, die ihr ziemlich gut gefallen: „Überraschung“ ist so ein Wort. Und, wen wundert‘s angesichts ihres Berufes: „Miezekatze.“