Im Krankenwagen ging es zum Training
Der deutsche Wasserrettungsdienst besteht seit 130 Jahren. Grund genug für die Rettungsschwimmer aus Tangerhütte, sich wieder einmal zu treffen. Helmut Deutsch und Helmut Lindner erinnern an die Jahre, in denen die Lebensretter vom Tanger DDR-weit im Einsatz waren.
Tangerhütte l Ehrfurchtsvoll bezeichnet der Tangerhütter DRK-Ortsvereinsvorsitzende Helmut Lindner sein Gegenüber als Nestor des Wasserrettungsdienstes in Tangerhütte. Gemeinsam mit Helmut Deutsch sitzt er in den Räumen des DRK und beide schauen sich verblasste Fotos an. Teilweise fällt es ihnen schwer, den drahtigen Körpern in Dreiecksbadehose Namen zuzuordnen. Es ist Jahrzehnte her, dass die durchtrainierten Rettungsschwimmer aus Tangerhütte republikweit der Damenwelt den Kopf verdrehten.
Helmut Deutsch war es, der Anfang der 50er Jahre das Rettungsschwimmen in der damaligen jungen Kreisstadt am Tanger salonfähig machte. Die Männer der ersten Stunde, zu denen auch der Bittkauer Heinz Rieck und der Tangerhütter Karl-Heinz Vinzelberg gehörten, wurden noch bezirksgelenkt zentral in Halberstadt ausgebildet. Ihr Wissen gaben sie anschließend vor Ort in Tangerhütte weiter.
Im Sommer war das Freibad der Trainingsort. Im Winter stand die Theorie auf dem Programm oder man fuhr nach Magdeburg in die Schwimmhalle, "per Krankenwagen", schmunzelt Lindner. Als in den 70er Jahren in Tangerhütte die Schwimmhalle gebaut wurde, verbesserten sich die Übungsbedingungen wesentlich.
Helmut Lindner absolvierte 1963 seine Ausbildung. "Die war vielfältig", erinnert er sich. 200 Meter mussten im Wasser mit Kleidung zurückgelegt werden, 25 Meter Tauchen war angesagt. Rettungsgriffe, Trainingsgriffe, Befreiungsgriffe gehörten genauso zum Programm wie die Erste Hilfe. Anwenden mussten die Schwimmer ihr Wissen im Ernstfall öfter. "Da gab es immer mal welche, die sich überschätzten und nicht mehr konnten. Die zogen wir dann raus", sagt Deutsch.
Mit dem Hobbywurde Geld verdient
Rettungsschwimmer made in Tangerhütte waren nicht nur an Elbe und Tanger, dem Kellerwiehl, dem Schelldorfer See, im Pionierlager Bertingen, in den Badeanstalten Tangerhütte und Lüderitz oder in der Schwimmhalle Tangerhütte gefragt. Sie waren republikweit im Einsatz, betreuten in der Regel Ferienlager. Rund 200 Schwimmer, schätzt Deutsch, hätten in den Jahrzehnten die Ausbildung durchlaufen. Darunter waren viele Sportlehrer oder Schüler, die sich an der EOS auf das Abitur vorbereiteten.
Die Arbeit war begehrt. "Wir hatten eine gute Gemeinschaft, konnten Sport treiben. In den Ferien hatten wir mit unserem Hobby Geld verdient und vor allem: Wir kamen als junge Männer rum", schwärmt Deutsch.
Mit der Wende lief die Uhr für die Tangerhütter Wasserrettung aus. Mit dem Wegbrechen der Schwimmhalle als Trainingsort war Schluss. "Die Leute hatten anderes im Kopf als das Rettungsschwimmen", begründet Lindner. Viele hätten sich außerhalb Arbeit suchen müssen. Auch die einstigen Einsatzorte, die Ferienlager an der Ostsee, verschwanden.
Ihren Ursprung habe die deutsche Wasserrettung nicht etwa im hohen Norden an den Meeren, sondern im tiefsten Süden, weiß Lindner außerdem. Im Donaugebiet forderten die Hochwasser in Abständen zahlreiche Menschenleben. Es waren Teile der Sanitätskolonnen des DRK, die sich in Folge durch entsprechende Ausbildung zunehmend auf die Wasserrettung spezialisierten. Das ist nunmehr 130 Jahre her. Aus dem tiefen Inland heraus traten die Schwimmer dann ihren Siegeszug an, bis sie die Bäder an Nord- und Ostsee erreichten. "In den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde die Wasserrettung ureigenste Aufgabe des DRK", so Lindner.
Alle ehemaligen Rettungsschwimmer aus Tangerhütte und Umgebung sind zum Treffen eingeladen. In den Räumen des DRK in der Rudi-Arndt-Straße wird am 14. September ab 18 Uhr über alte Zeiten geplaudert.