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Zirkus Probst In der Manege hat sie das Sagen

Die Volksstimme hat Stephanie Probst, Juniorchefin beim Zirkus Probst, beim Training mit ihren Pferden in Stendal besucht.

Von Donald Lyko 29.06.2017, 01:01

Stendal l Einmal richtig tief einatmen: So riecht Zirkus! Die Sägespäne sind gerade frisch ausgestreut worden, darum hat sich das Training etwas verzögert. Nun stehe ich aber mit Stephanie Probst, Juniorchefin des Zirkus Probst mitten in der Manege, sechs edle Araber gehen Schritt oder traben um uns herum. Die 30-Jährige gibt den vierjährigen Hengsten Kommandos, lässt sie erst einmal Runde für Runde drehen. Denn es geht beim Vormittagstraining auch um die Bewegung. Die brauchen die Pferde, wenn sie wie auf dem Schützenplatz im Stallzelt stehen und nur zeitweise in den kleinen Auslauf können. „Im letzten Gastspielort Rathenow standen wir im Grünen, da hatten die Pferde auf einer Wiese ganz viel Auslauf. Da konnte das Training dann auch mal ausfallen“, sagt Stephanie Probst.

Schritt laufen, auf Namensruf zu ihr kommen, auf Kommando stehen – die Tierlehrerin spricht vom „Kopftraining“, das sie fast täglich mit den Pferden absolviert, spricht vom „Abc des Dressierens“ und von „Disziplinarbeit“. Es gehe darum, dass die Tiere Vertrauen zu ihr aufbauen. Dass es nicht um Unterordnung geht, sondern dass sie als Teil der Herde mit besonderer Stellung akzeptiert werden soll, bringt sie so auf den Punkt: „Sie müssen wissen, dass ich der Leithengst bin.“

Vor gut einem Jahr hat Stephanie Probst damit begonnen, die sechs Araber für die Manege vorzubereiten. Genau im richtigen Alter. „Zweieinhalb, drei Jahre, da sollte man bei Pferden anfangen“, sagt sie. Dass es Araber sein sollen, die sie in der Manege zeigt, war ihr immer klar: „Sie sind edel, temperamentvoll und lernwillig.“

Und sie haben eine Tradition im Familienzirkus Probst. Beim Gang durch den Stall zeigt mir die 30-Jährige einige betagte Araber. „Die sind so alt wie ich. Sie haben mir vieles beigebracht.“ Ein Glück für sie war, „dass meine Eltern große Pferdenarren sind“. Ihre Eltern, das sind der derzeitige Zirkusdirektor Reinhard Probst und seine Frau Brigitte. „Es gibt Fotos von mir, da sitze ich schon als Baby in Pampers auf einem Pferd“, erzählt die Tierlehrerin. Sie wuchs mit Pferden auf, ist ein echtes Zirkuskind. So wie ihre drei Jahre ältere Schwester Sonja und der drei Jahre jüngere Bruder Andreas. Er kümmert sich heute um den Fuhrpark und die Logistik. Sonja Probst, die nach einem Unfall nicht mehr als Luftakrobatin auftreten kann, übernimmt jetzt Büro- und Organisationsaufgaben.

Akrobatik oder ein anderes Zirkusfach außer Tierdressuren standen für Stephanie Probst nie zur Diskussion. „Pferde sind mein Leben“, sagt sie. Mit sechs Jahren führte sie in der Manege mit vier Ponys ihre erste eigene Nummer vor, mit zwölf Jahren übernahm sie sechs Araber – die gleichaltrigen, die bis zum vorigen Jahr im Programm waren und jetzt ihren Ruhestand genießen. Ab und zu dürfen sie noch in die Manege. „Wenn die Musik angeht, werden sie nervös. Die kennen ihre Nummern noch im Schlaf“, beschreibt es die Tierlehrerin.

Ihr Handwerk gelernt hat sie von Uwe Schwichtenberg, bekannter und erfolgreicher Dresseur im DDR-Staatszirkus, der nach der Wende einige Jahre beim Circus Probst beschäftigt war – dem aus dem Westen.

„Ich habe sehr viel von ihm gelernt, er war wie mein Opa“, spricht die gelehrige Schülerin mit Bewunderung und Warmherzigkeit von ihrem Lehrmeister. Zusätzlich hat sie viel Fachliteratur gelesen, hat sich ausprobiert, hat Erfahrungen gesammelt – getreu dem Motto, dass Praxis der beste Lehrmeister ist. Eine zusätzliche Ausbildung machen, zum Beispiel als Pferdewirtin, war für sie kein Thema. Der Grund: „Ich wollte und will nicht weg vom Zirkus.“ Darum liebt sie auch das Umziehen von einem Gastspielort zum anderen. „Wenn man das Leben so kennt, dann kann man nicht an einem einzigen Ort leben“, sagt die Juniorchefin des Familienunternehmens.

Im Zirkus hat sie auch ihr privates Glück gefunden. Vor 13 Jahren war ihr heutiger Ehemann Sergiu Mosanu mit seiner Truppe engagiert worden – der moldawische Artist blieb, und mittlerweile haben sie eine dreijährige Tochter. Im aktuellen Programm „Fantastico“ ist Sergiu als Jim Bim mit Comedy auf dem Trampolin zu sehen.

Beide standen schon gemeinsam in der Manege – natürlich in einer Nummer mit Pferden, von Stephanie Probst dressiert. Neben den Arabern hat sie zwei Friesen sowie ein Pony dabei, zudem beherrscht sie die Hohe Schule. Die wird in dieser Saison aber nicht gezeigt.

Das alles erzählt die sympathische junge Frau beim Rundgang durch das Stallzelt – während wir die Zeit überbrücken, in der die Sägespäne in der Manege verteilt werden. Für Stephanie Probst ist es nicht die erste Runde heute. Gleich morgens nach dem Frühstück schaut sie nach den Pferden, aber auch zu den Exoten. Die hat sie ebenfalls für die Zirkusnummern trainiert, präsentiert werden sie vom Zirkusdirektor Reinhard Probst. Anpacken, zur Forke greifen und ausmisten, die Tiere füttern – für die junge Mutter alles kein Problem. „Im Zirkus ist jede Hand gefragt“, sagt sie.

Auch jetzt, an diesem Vormittag beim Training im Zirkuszelt. Fünf Mitarbeiter haben geholfen, die Araber in die Manege zu führen, zwei bleiben stehen, um den Weg nach draußen zu versperren. Stephanie Probst gibt Anweisungen, fordert die Hengst-Paare zur Pirouette auf. „Die meisten Kommandos sind französisch“, erklärt die Tierlehrerin. Die Chefin im Ring ist zufrieden, belohnt die Hengste mit Leckerlis und Energiedrops, manchmal gibt es Brotstücke oder Möhrenscheiben. Ein Hengst bekommt Müsli, er mag die Leckerlis nicht. Die Zeit der Zuckerstücke als Belohnung sind bei ihr längst vorbei.

Nächste Übung: Stephanie Probst macht der Reihe nach jedes Pferd einmal an der Longe fest und ruft es wiederholt zu sich. „Sie lernen, zu mir zu kommen, wenn sie ihren Namen hören“, sagt sie. In der Show kann das zum Beispiel mal notwendig werden, wenn die Trense nicht richtig sitzt und sie es korrigieren möchte – ohne dass die Zuschauer viel davon mitbekommen.

Apropos Zuschauer: Muss mit den Pferden trainiert werden, bei Applaus ruhig zu bleiben? „Na klar. Anfangs habe ich Mitarbeiter auf die Stühle gesetzt, die klatschen, pfeifen und trampeln mussten. Die Pferde müssen lernen: Da draußen kann es laut sein, aber hier drin in der Manege ist es ruhig.“ Sie hat ihre Araber so ausgebildet, dass sie auf Kommandos hören. Die Begleitmusik spielt dabei keine Rolle. Bei den Exoten ist es anders, sie lernen ihre Nummer nach der Musik. Die gibt es im Circus Probst übrigens von einer Liveband.

Aber nicht beim Vormittagstraining, da ist nur die Stimme der Tierlehrerin im Zirkusrund zu hören. Sie hat das Sagen in der Pferdeherde. Und wenn man sie so erlebt bei der Arbeit in der Manege, beim Besuch im Stall, beim Umgang mit den Pferden, versteht man erst richtig einen Satz, den sie ganz am Anfang unseres Gesprächs gesagt hat: „Die Tiere sind immer bei uns, wir haben einen ganz engen Kontakt.“