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Industriedenkmal Neue Hoffnung für Gießereihallen

Seit Jahren kämpft ein Verein für Wiederbelebung der Gießereihallen in Tangerhütte. Nun gibt ein Landtagsbeschluss neue Hoffnung.

Von Rudi-Michael Wienecke 06.01.2021, 02:00

Tangerhütte l In den zurückliegenden Jahren bissen die Mitglieder des Vereins „Aus einem Guss“ mit ihren Ideen, den alten Tangerhütter Gießereihallen neues Leben einzuhauchen, mehrfach beim Tangerhütter Stadtrat auf Granit. Dabei ging es um Millionenbeträge. Schließlich habe man sich im vergangenen Frühjahr entschlossen, in Sachen der Erhaltung von Tangerhütter Industriekultur „kleinere Brötchen zu backen“, so der Vereinsvorsitzende Frank Dreihaupt.

Die Modelltischlerei, als Projekt eher übersichtlich, rückte in den Fokus. Gemeinsam mit hiesigen Vereinen und dem Unternehmen Techno-Guss wolle man nach einer Aufräumaktion in dem dreietagigen Gebäude Räume für Veranstaltungen und Versammlungen schaffen, ein Museum zur Tangerhütter Industriegeschichte einrichten. Diese Pläne müssten allerdings auch noch vom Stadtrat abgesegnet werden.

Zwischenzeitlich visieren die Akteure von „Aus einem Guss“ aber auch wieder die wesentlich anspruchsvollere Aufgabe an, die mittlerweile nur noch als Ruinen vorhandenen Industriehallen wiederbeleben zu wollen. Ermuntert werden sie von kommunal- und landespolitischen Beschlüssen.

So votierte der Tangerhütter Stadtrat auf seiner jüngsten Sitzung mehrheitlich für die Stellungnahmen der Kommune zur Fortschreibung des Kreisentwicklungskonzeptes. Diese kritisierte unter anderem, dass die Region baukulturell keine Erwähnung fand. „Allein Tangerhütte hat mit seinem Schloss, dem Schlosspark sowie dem Industriehallendenkmal eine hohe Denkmalbedeutung für Deutschland und sollte in der Liste mit aufgenommen werden“, so der Hinweis aus der Einheitsgemeinde, der klarmacht, dass die Mehrheit des Stadtrates sich zur Erhaltung des Ensembles bekennt.

Schwerer wiegt allerdings ein Landtagsbeschluss aus dem Mai 2018, der im Mai des Vorjahres noch einmal bekräftigt wurde. Dieser sieht vor, die Industriekultur in Sachsen-Anhalt gezielt weiterzuentwickeln. Im dazugehörigen Strategiepapier werden 302 Orte und Denkmale der Industriekultur des Landes aufgezählt. 14 von ihnen gelten als gefährdete, „aber (als) für die Landesgeschichte unverzichtbare Denkmale“. Genau in dieser Riege findet sich auch „Tangerhütte mit Gießereihallen, Fabrikantenvillen und Arbeiterhäusern“ wieder. Weiter werden Wege gezeigt wie die Objekte gesichert, umgenutzt und vermarktet werden können. Auch Fördermöglichkeiten werden aufgezählt.

Wie Tangerhütte nun mit seinen historischen Bauten per Landtagsbeschluss auf diese wichtige Prioritätenliste kam, ist Dreihaupt nicht bekannt, „aber ich finde das ganz toll“. Sachsen-Anhalt bekenne sich also zu den historischen Bauten in Tangerhütte, entsprechende Unterstützung aus Magdeburg sei also zu erwarten, hofft der Vereinsvorsitzende. Er habe in dieser Angelegenheit deshalb bereits den Kontakt zur Staatskanzlei gesucht und hofft auch auf Hilfe aus dem Technikmuseum Magdeburg.

Mit den Planungen zur Nutzung des Areals muss der Verein nicht bei null anfangen. Bereits 2007 legten die damaligen Architekturstudentinnen Jenny Ahrens und Isabelle Frase mit ihrer Diplomarbeit umfassendes Material zur Gießerei Tangerhütte vor. Sie dokumentierten die Schäden, aber auch die noch vorhandenen erhaltenswerten historischen Teile, sie stellten außerdem ein Sanierungs- und Nutzungskonzept auf.

Darauf aufbauend konkretisierte ein Berliner Architekturbüro die Pläne. Finanziert wurde dieses Papier mit Fördermitteln aus dem Bundesprogramm Landaufschwung und mit Eigenmitteln des Vereins. Es entwickelte sich die Idee, die Ruinen zu einem Ensemble aus Veranstaltungszentrum, Gastronomie, Gewerbe und Museum zu entwickeln. Die dafür notwendigen Kosten wurden auf sechs Millionen Euro geschätzt. Eine Förderung vorausgesetzt, hätte der Eigenanteil über eine Bürgergenossenschaft aufgebracht werden können, so die damaligen Vorstellungen des Vereins. In diesem Zusammenhang verwies Dreihaupt auf die aktuell elf Mitglieder. Es handele sich zu einem großen Teil um Unternehmer, die bereit seien, eigenes Geld in die Umsetzung der Pläne zu stecken.

Dreihaupts Ziel ist, dass das Projekt „Gießereihallen“ wieder auf die Tagesordnung des Stadtrates gesetzt wird, schließlich ist die Kommune Eigentümerin des Arals. Dort stand es bereits mehrfach. Ein Teil der Gremiumsmitglieder lehnt die Pläne des Vereins „Aus einem Guss“ aber ab, befürchtet wird eine Konkurrenz zum Kulturhaus. Im September 2018 wurde selbst ein Grundsatzbeschluss, der besagte, dass die Stadt das Projekt unterstützt, von der Tagesordnung genommen. Die Vereinsmitglieder durften ihre Pläne nicht einmal vorstellen.

Dass Akteure aus der hiesigen Wirtschaft bereit sind bezüglich der Wiederbelebung der Gießereihallen ein finanzielles Risiko einzugehen, habe laut Dreihaupt einer von ihnen 2019 bewiesen. Ein Firmenkonsortium habe damit geliebäugelt, in Tangerhütte eine Fortbildungseinrichtung zu bauen. Eine 90-prozentige Förderung wäre möglich gewesen. Ein Unternehmer aus der Einheitsgemeinde sei bereit gewesen, den verbleibenden Eigenanteil von 600 000 Euro zu zahlen. Der Tangerhütter Stadtrat lehnte ab.