1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Iraker: „Deutschland ist ein Papier“

Integration Iraker: „Deutschland ist ein Papier“

Ausbildung und Arbeit waren die zentralen Themen bei der dritten Integrationskonferenz, zu der der Landkreis Stendal eingeladen hatte.

Von Thomas Pusch 14.01.2016, 00:01

Stendal l Der Iraker Yassin Ibrahim Hassan erklärte bei der dritten Integrationskonferenz am Mittwoch, was es so vielen Menschen aus seinem Kulturkreis schwermache, sich in der neuen Heimat einzugewöhnen. „Deutschland ist ein Papier“, sagte er. Damit meinte er, dass für alles ein Antrag gestellt werden muss, Belege notwendig sind. „Wenn man bei uns Arbeit sucht, geht man zu der Firma und kann dort seine Fähigkeiten zeigen“, nannte er ein Beispiel. In Deutschland müsse man erst eine Bewerbung schreiben, Zeugnisse und andere Zertifikate beilegen.

Aber das ist nicht das Einzige, woran sich Flüchtlinge in Deutschland gewöhnen müssen, und dennoch forderte Hassan: „Es gibt viele Dinge, die wir vorher nicht kannten, aber wir müssen die Kultur hier akzeptieren, damit wir akzeptiert werden.“

Er ist bereits seit 17 Jahren in Deutschland. Zu seiner Zeit sei es schwieriger gewesen, dass Schulabschlüsse und Ausbildungen anerkannt werden. Er habe vor einiger Zeit ein Lebensmittelgeschäft für orientalische Spezialitäten eröffnet. „Da kommen die Menschen nicht nur zum Einkaufen, das ist ein richtiger Treffpunkt, weil sie auch viele Fragen haben“, beschrieb er. Respekt, das fordert er immer wieder von den Neuankömmlingen.

Und er hat in den vielen Jahren in Deutschland festgestellt, dass den Deutschen manche Angewohnheiten merkwürdig vorkommen. „Bei uns ist es ganz normal, dass einer ein Feuerzeug kaufen will, aber sechs Leute ins Geschäft gehen“, nannte er ein Beispiel. Das sei zwar in Deutschland nicht verboten, aber doch sehr unbeliebt. Mit Argwohn werde auch beobachtet, wenn große Gruppen in der Stadt zusammenstehen. „Guck mal, wie die stehen, was machen die denn da“, las er Gedanken.

So ausführlich waren Flüchtlinge bislang noch nicht zu Wort gekommen, die Integrationskonferenz wurde bereichert. Auch durch die Schilderungen von Muhammad Alzain Alkhabaz. Der Syrer ist vor sieben Monaten nach Stendal gekommen, lernt bereits Deutsch, verließ sich aber auf sein Englisch. Bei der Arbeit müsse man kommunizieren, daher sei die Sprache sehr wichtig. Und er rief dazu auf, aktiv zu sein. Schließlich gebe es genügend Möglichkeiten. „Es kann hart sein, aber es ist nicht unmöglich“, fasste er zusammen. Er hat noch mehrere Projekte in Stendal vor. Dazu gehören ein lokales Internetradio und ein Musikcafé.

Optimistische Stimmung verbreitete auch Burkhard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg. Er konnte zahlreiche Beispiele gelungener Integration nennen, allerdings weniger mit Flüchtlingen als mit Menschen aus dem europäischen Ausland. „Wir haben ein Fachkräfteproblem, 20  000 Auszubildende fehlen in Deutschland, die Zuwanderung ist ein Weg, aber sie allein wird das Problem nicht lösen“, stellte er klar. 61 spanische Lehrlinge seien im Kammerbezirk tätig. Er schilderte aber auch die Entwicklung eines Syrers, der 2009 nach Magdeburg kam, kein Wort Deutsch sprach. Er begann 2010 die Ausbildung zum Friseur, absolvierte parallel Sprach- und Integrationskurs. Mittlerweile besucht er berufsbegleitend die Meisterschule. „Bei uns zählt nicht, wo man herkommt, sondern wo man hinwill“, sagte Grupe.

André Rummel, IHK-Geschäftsführer für die Altmark, berichtete, dass in der Nachbarregion Harz 15 Flüchtlinge in drei Harzer Bauunternehmen ausgebildet werden sollen. So weit ist es in der Altmark noch nicht. Integriert wird aber auch, im vergangenen Jahr waren es 66 Auszubildende aus Spanien und 24 Arbeitnehmer. Die Begegnung mit einem etwa zehn Jahre alten Jungen aus Syrien in der Ersten Hilfe des Stendaler Krankenhauses hatte Rummel zuversichtlich gemacht. „Der hatte auf seine Mutter gewartet und alles schon auf Deutsch gemanagt, toll“, sagte er.

Zu den Teilnehmern der Integrationskonferenz gehörte auch der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Bernhard Brauer. Er hatte mit der Teilnahme an der ersten Demonstration der Bürgerbewegung Altmark für Irritationen gesorgt. „Das ist Geschichte“, wollte er sich gegenüber der Volksstimme nicht weiter zu dem Thema äußern.

Die nächste Integrationskonferenz findet am 24. Februar statt. Thema sind dann die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge.