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Rechte Sprüche auf Facebook-Seite Jerchels Ortswehrleiter in Erklärungsnot

Ein Beitrag des Deutschlandfunks sorgt derzeit in Jerchel für Aufsehen.
Ortswehrleiter Enrico Mertynink wird darin vorgeworfen, rechtsextrem zu
sein. Ursache sind Einträge auf seiner Facebook-Seite. Der 40-Jährige
will das nicht so stehen lassen.

Von Birgit Schulze und Philip Najdzion 19.04.2014, 01:18

Jerchel l Ein Dorf ist in Aufruhr. Der Ortswehrleiter von Jerchel liegt mit der Ortsbürgermeisterin im Streit. Auslöser ist ein Bericht des Deutschlandfunks. Ortswehrleiter Enrico Mertynink wird darin als Rechtsextremer bezeichnet. Auf seine öffentliche Facebook-Seite hatte er ein Foto gestellt, das ihn mit einer Mütze der Marke Thor Steinar zeigt. Eine Modemarke, die von vielen Neonazis getragen wird.

Außerdem hat Mertynink menschenverachtende und ausländerfeindliche Sprüche auf seiner Facebook-Seite geteilt. So ist bei einem Beitrag ein Panzer mit Wehrmachtssoldaten zu sehen. Oben links steht ein Logo mit olympischen Ringen von Sotschi 2014. Dazu gibt es den Spruch: "Endlich wieder Winterspiele mit deutscher Beteiligung in Russland!"

Vor einer Woche wurde der Bericht am Donnerstagabend im Deutschlandfunk ausgestrahlt. Mertynink selber äußert sich darin nicht. Schnell war das Thema in Jerchel Ortsgespräch. Seitdem steht Mertyninks Telefon nicht mehr still. Seine Frau und er machen sich Sorgen um die Kinder. Der Ortswehrleiter befürchtet zudem negative Folgen für den Ruf seiner Feuerwehr. Zwischenzeitlich dachte er sogar an Rücktritt.

Aber wie kann jemand so etwas wie dieses Wehrmachtbild mit anderen teilen? "Früher hat man gesagt: ,jugendlicher Leichtsinn`, mit fast 40 ist das wohl Dummheit", zeigt sich Mertynink selbstkritisch. Gerade als Ortswehrleiter dürfe ihm sowas nicht passieren. Er hat sämtliche Bilder und Likes von seiner Seite entfernt. "Ich bin nicht rechtsextrem", sagt Mertynink. Die Mütze werde er nicht mehr aufsetzen. Seine Frau hatte ihm dafür einen Gutschein geschenkt. Sie hätten beide damals nicht gewusst, was das für eine Marke ist.

"Die ist bei mir unten durch." - Enrico Mertynink

Warum distanzierte sich der Ortswehrleiter nicht einfach in dem Bericht von den Vorwürfen des Deutschlandfunk-Redakteurs Christoph Richter? "Zu einem Gespräch mit Journalisten ist Enrico Mertynink nicht bereit", heißt es in dem Beitrag. Per Telefon hatte Richter den Kontakt aufgenommen, nachdem er am Dienstag Enrico Mertynink nicht zu Hause angetroffen hatte. Doch Mertynink blockte am Telefon ab. Der Anruf kam mitten bei der Arbeit.

Der Jercheler wusste, dass Ärger auf ihn zukommt. Die Verwaltung der Stadt Tangerhütte hatte ihn informiert. Dort war vor etwa drei Wochen ein anonymes Schreiben mit den Vorwürfen gegen den Ortswehrleiter abgegeben worden. "Ich wollte nichts Falsches sagen, weil ich so aufgeregt war", sagt Mertynink. Also meinte er zu dem Journalisten, er solle sich doch beim Staatsschutz erkundigen.

Für Richter ist die Sache damit klar: Wer so eine Kappe trägt und solche Dinge bei Facebook teilt ist rechtsextrem. Der Journalist konfrontierte auch Ortsbürgermeisterin Elke Behrens mit den Vorwürfen gegen den Ortswehrleiter. "Da wird einem angst und bange" und "Es ist beunruhigend, auch weil er für den Ortschaftsrat kandidiert", sagte sie in dem Beitrag. Antworten, die Enrico Mertynink aufregen. "Die ist bei mir unten durch", sagt er.

Mittlerweile rudert Behrens zurück. Sie sei selbst überrascht gewesen von den Vorwürfen gegen Mertynink. Es sei nie ihre Absicht gewesen, ihn zu diskreditieren. "Wir stehen nach wie vor hinter ihm und wissen, dass er so nicht ist", so die Ortsbürgermeisterin.

Sie fühle sich zudem in dem Radiobeitrag nicht gut wiedergegeben. Sie habe dem Deutschlandfunk auch gesagt, dass Mertynink sich bisher nie öffentlich rechtsextrem geäußert habe. Das habe der Journalist einfach rausgelassen. Mehr möchte Behrens derzeit nicht sagen und lädt die Volksstimme kommende Woche zu einem Gespräch mit dem Ortschaftsrat.

Einige Jercheler zeigen sich von den Vorwürfen überrascht. Als "Stimmungsmache", bezeichnet ein Ortsbewohner den Bericht. Er glaube, dass jemand dem Ortswehrleiter eins auswischen wollte. Bei Mertynink habe es bisher keine Hinweise auf einen rechtextremen Hintergrund gegeben. Zudem sei er ein engagierter Wehrleiter, der voll hinter der Wehr steht und mit seinen Kindern gerne Fußball spielt, sagt der Ortsbewohner.

"Ich distanziere mich von Ausländerfeindlichkeit." - Enrico Mertynink

Die Stadt Tangerhütte hat das anonyme Schreiben an die Polizei weitergegeben. "Die Polizei sieht keinerlei strafbare Handlung", sagt Hans-Dieter Sturm. Er vertritt als Beauftragter des Landkreises Tangerhüttes Bürgermeisterin Birgit Schäfer, über deren Abwahl Ende Mai die Bürger entscheiden.

Gemeindewehrleiter Gerry Michlik habe mit dem Jercheler Ortswehrleiter ein Gespräch geführt. "Mertynink hat darin sein Verhalten bedauert und als Fehler bezeichnet und die Facebook-Einträge gelöscht", sagt Sturm. Für die Stadt sei die Sache damit erledigt, sollten sich nicht neue Erkenntnisse ergeben.

Der Deutschlandfunk-Journalist erhebt indes weitere Vorwürfe: "Auf der Heckscheibe seines Autos klebt der Spruch ,Todesstrafe für Kinderschänder`, womit Mertynink seine Nähe zur NPD dokumentiert." Die Partei ist mit diesem Slogan auf Stimmenfang gegangen.

"Das war mir bisher nicht klar", sagt dagegen Mertynink. Den Aufkleber habe er angebracht, nachdem sein Neffe bei Jerchel von einem Fremden angesprochen worden war. "Wir wollten einfach ein Zeichen setzen, dafür, dass wir hier aufmerksam sind." Mit der NPD habe er nichts zu tun. "Die habe ich noch nie gewählt", sagt er.

Der Ortswehrleiter fühlt sich ausspioniert und unfair behandelt. Er möchte nicht ausschließen, dass das Ganze mit seiner Kandidatur für die Kommunalwahl zusammenhängt. Er tritt für eine Freie Wählergemeinschaft an, die gleiche, für die auch Jerchels Ortsbürgermeisterin kandidiert.

Eines sei ihm aber auch klar, sagt Enrico Mertynink: Unschuldig an dem Ganzen ist er nicht. Vor allem die geteilten Links zeichneten kein gutes Bild von ihm. Sie sind offensichtlich fremdenfeindlich und diskriminierend. Mertynink: "Das bin nicht ich. Ich distanziere mich von Ausländerfeindlichkeit". Unter seinen Kumpels seien auch Ausländer und Schwule, so Mertynink.