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Kita-Pädagogik Solide Arbeit in Stendals Kitas

Professor Thomas Kliche widerspricht einer Stendaler Mutter, die von „traditionellem Kollektivismus“ spricht.

Von Bernd-Volker Brahms 04.11.2016, 00:01

Stendal l Eine Mutter von Zwillingen schilderte vor Kurzem in der Volksstimme ihre Odyssee bei der Suche nach einem Krippenplatz in Stendal. Gleichzeitig kritisierte die Mutter die pädagogische Arbeit in den Einrichtungen vor Ort, die nach ihrer Ansicht von einem nicht mehr zeitgemäßen „traditionellen Kollektivismus“ geprägt sei und dazu führe, dass alle Kinder zur gleichen Zeit schlafen und essen und gleichzeitig windel- und schnullerfrei werden müssen.

Dieser Ansicht widerspricht der Stendaler Professor Thomas Kliche fundamental. „Auf bösartige Schnitzer, wie sie gelegentlich durch die Presse geistern, habe ich in Stendaler Kitas keine Hinweise gefunden. Die leisten solide Arbeit. Sicher, mitunter fehlen erkrankte Kolleginnen, und manches kann man verbessern – wo nicht?! Es gibt ja riesige Mengen neuer pädagogischer Ansätze, und nicht alles ist Gold, was modern glänzt“, sagt Kliche, der in Stendal einen Lehrstuhl für Bildungsmanagement in der Elementarpädagogik innehat. Er beschäftigt sich seit Jahren mit der aufgeworfenen Problematik.

Qualitätsmanagement in Kitas ist eine wichtige Absicherung für Eltern und Kinder und daher gesetzlich vorgeschrieben, sagt Kliche. Damit es kostengünstig und zeitlich machbar bleibe, habe die Hochschule für kleinere Kommunen in Sachsen-Anhalt ein maßgeschneidertes Verfahren entwickelt, das seit 2014 mit Begleitforschung umgesetzt wird, das „Stendaler Modell“, so der Hochschullehrer.

Zum „Stendaler Modell“ gehört die Bewertung pädagogischer Arbeit nach der Nationalen Qualitätsinitiative. Die Kitas führen Qualitätszirkel durch, zudem extern begleitete Kollegialevaluationen durch Leitungskreise. Das sichere die Ausrichtung am Landesbildungsprogramm, an wichtigen Wünschen der Eltern, den Rechten der Kinder und aktuellen fachlichen Anforderungen, sagt Kliche.

Darüber hinaus müsse man bedenken, dass es Regelungen gebe, die immer unfertig bleiben, das liege in der Sache selbst begründet. Als ein Beispiel nennt er das gemeinsame Essen. Essensabläufe seien ein Qualitätsmerkmal, weil ihre Vernachlässigung Essstörungen und Übergewicht begünstige. Dies gelte natürlich auch in Familien. „Aber nicht alle Kinder mögen alles und essen gleich lang“, sagt Kliche und deutet damit an, dass es stets individuelle, auch sich ändernde Lösungen geben muss.

„Die Erzieherinnen sind also ständig am liebevollen Feilschen und Begeistern, je nach Temperament und Zahl der Kinder“, sagt der Professor.

Ein anderes Beispiel seien die Schlafzeiten: Manche Eltern wollen, dass ihr Kind mittags schläft, andere wollen das Gegenteil, die Kita müsse für Tagesrhythmus und Ruhezeiten sorgen, und die Kinder hätten dann ihre eigenen Ideen. „All das ändert sich auch noch ständig, weil die Kinder größer werden. Man muss also dauernd neu denken, reden, planen. Die allermeisten Eltern und Fachkräfte bringen die Offenheit und Geduld dafür auf, auch in Stendal. Denn das ist der Weg der guten Kita“, sagt Kliche.

Aufmerksamkeit, Beteiligung, Verständigung für ein Gleichgewicht von Ordnung und Räumen persönlicher Entwicklung seien das Erfolgsrezept.