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Landgericht Rechnungsfälscher schlägt zu

Beim Prozess gegen Holger Gebhardt in Stendal wurde weiter ermittelt, wie der Ex-CDU-Stadtrat Arztrechnungen gefälscht haben soll.

Von Regina Urbat 14.05.2019, 01:01

Stendal l Mehr als 100.000 Euro soll sich der Angeklagte Holger Gebhardt durch Fälschung von Arztrechnungen und Zuzahlungsbelegen von einer großen deutschen privaten Krankenversicherung erschlichen haben. Über einen Zeitraum von fünf Jahren, in insgesamt 36 Fällen. Und keiner hat es bis zum Auffliegen des Schwindels gemerkt?

Diese Frage stellte sich bei der Fortsetzung des Strafprozesses gegen den Ex-CDU-Stadtrat am Landesgericht Stendal am 8. Mai. In der zweiten Hauptverhandlung entlarvte eine junge Zahnärztin als Hauptzeugin, fast all „ihre“ Belege als Fälschungen. Zwei Abrechnungen unter ihrem Namen waren es dann, die in der Leistungsabteilung der privaten Krankenversicherung für Irritationen sorgten.

Die Stendalerin wurde gebeten, die Abrechnungen zu überprüfen; sie stellte fest, diese Behandlungen „habe ich bei Herrn Gebhardt nie durchgeführt“. Nun wurden alle Leistungen, die die Zahnmedizinerin bei Gebhardt erbracht haben soll, unter die Lupe genommen, indem die Daten der Kasse mit den Daten in der Praxis abgeglichen wurden.

Nach Angaben der Versicherungskauffrauen im Zeugenstand, hatte Gebhardt 2003 als gesetzlich Versicherter eine Zusatzversicherung bei der privaten Krankenversicherung abgeschlossen. Weiterer Versicherungsschutz sei 2006 vereinbart worden, so dass der Angeklagte insgesamt drei Verträge gehabt hatte. In der Regel, so die Zeuginnen, die in der Abteilung „Fehlverhalten“ tätig sind, würden eingescannte Rechnungen per Fax oder E-Mail an die Krankenversicherung geschickt.

Originale würden längst nicht mehr zwingend verwendet werden. Die Leistungsabteilung bearbeitet die sogenannten Heil- und Kostenpläne und zahlt den Betrag an den Versicherungsnehmer aus, der – so ist der Regelfall – die Leistung zuvor aus der eigenen Tasche an den Arzt oder das Labor bezahlt hat. Diesen Kreislauf hat Gebhardt offensichtlich abgekürzt und sich mit gefälschten Belegen für private Zusatzleistungen auf direktem Weg von der Kasse in die eigene Tasche geholt, ohne einen Cent zuvor bezahlt zu haben.

Warum keine „Klingel am Computer läutet“, wenn ein Versicherungsnehmer wie Gebhardt monatlich Beträge von 4000 bis mehr als 6000 Euro abrechnet, wollte die Richterin wissen. Das hänge mit der Größe des Unternehmens zusammen, so eine der beiden Zeuginnen. Sie wies darauf hin, dass nicht immer derselbe Sachbearbeiter die Belege eines Versicherungsnehmers bearbeite.

Außerdem würden Heil- und Kostenpläne, die sich erschließen, nicht noch einmal zur Prüfung zum Arzt geschickt. Das schien der Angeklagte ausgenutzt zu haben, bis ihm ein Fehler auf einer Laborabrechnung unterlaufen war.

Der Schwindel flog auf, die Versicherung kündigte am 9. Dezember 2016 alle Verträge und forderte von Gebhardt, die Schadensumme von rund 103.000 Euro bis zum 31. Dezember des Jahres zu begleichen. Gleichzeitig nahm die Versicherung die Ermittlung auf und stellte im Ergebnis eine Strafanzeige.

Gebhardt habe 10.000 Euro vor Ablauf der Frist gezahlt, einen Rechtsanwalt eingeschaltet, ein Schuldeingeständnis abgelegt und eine monatliche Ratenzahlung von 500 Euro vereinbart. Die Hoffnung, sich außergerichtlich und gütlich zu einigen, habe die Rechtsabteilung der Krankenversicherung abgelehnt.

Nach zwei regulären Raten wurden diese auf 100 Euro wegen des Jobverlusts von Gebhardt reduziert und mit seiner Verurteilung und Inhaftierung wegen der Wahlfälschung von 2014 ganz eingestellt. Somit sei der Angeklagte der Krankenversicherung exakt noch 91.314,02 Euro schuldig.

Fortgesetzt wird der Strafprozess am 21. Mai um 9 Uhr am Landgericht Stendal.