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Letzte Chance Kreistag Stendal will Starkstrom unterirdisch

Widerstand regt gegen die geplanten Starkstrom-Trassen durch den Landkreis Stendal. Der Kreistag fordert Erdverkabelung.

Von Egmar Gebert 23.03.2019, 00:01

Stendal l Zu spät aufgewacht? Der Eindruck drängt sich auf, wenn es um die Proteste gegen die 380 kV-Starkstromleitungstrasse geht, die durch den Landkreis Stendal gezogen werden soll. Das Planfeststellungsverfahren ist gelaufen, der Beschluss zum Bau der Trasse zum Beispiel im Bereich Lüderitz längst gefasst. Ähnlich die Ausgangsposition für die in Seehausen von so einer Starkstromtrasse Betroffenen (Volksstimme berichtete).

Allerdings heißt das noch nicht, dass alle Messen gesungen sind, sprich nicht doch noch die Chance besteht, den geplanten Freileitungsbau zu verhindern und mit der Forderung nach Erdverkabelung zumindest abschnittsweise im Landkreis Stendal Erfolg zu haben.

Einen mögliche Weg dorthin zeigte die Fraktion Die Linke-Bündnis 90/Die Grünen mit ihrem Vorstoß am Donnerstagabend im Kreistag auf. Dazu die Fraktionsvorsitzende Helga Paschke (Linke): „Bisher ging es um das Planfeststellungsverfahren. Jetzt geht es um den Netzentwicklungsplan, für den im April die heiße Phase beginnt. Für den Landkreis heißt es jetzt: Alarmstufe Rot“, mahnte Paschke, denn: „Wir sind sicher, dass die Voraussetzungen für die Verlegung von Erdkabeln vor allem im Abschnitt Perleberg-Seehausen absolut erfüllt werden. Darum müssen wir nun gemeinsam kämpfen.“

Die Trumpfkarte, welche die links-grüne Kreistagsfraktion jetzt auszuspielen empfiehlt, heißt Netzentwicklungsplan (NEP).

Unabhängig von Bauplänen und dazu bereits gefassten Beschlüssen in Sachen Stromnetzausbau werde der Bedarf an neuen Stromleitungen regelmäßig durch die Bundesnetzagentur überprüft. Der dafür aufgestellte NEP solle „Fehlentwicklungen beim Netzausbau korrigieren“. Das ist der Punkt, an dem der Stendaler Kreistag den Landrat geschlossen auffordert, zu handeln. Der entsprechende Antrag der links-grünen Fraktion wurde am Donnerstag einstimmig angenommen.

Was dem Landrat das Heft des Handels in die Hand gibt, auch das erläuterte Helga Paschke gern und detailliert. Jener NEP müsse alle zwei Jahre überprüft und nötigenfalls überarbeitet werden. Genau das sei derzeit der Fall.

Der Landrat ist also per Kreistagsbeschluss nun beauftragt, zum derzeit gültigen NEP eine Stellungnahme zu erarbeiten, die mit den Fachausschüssen des Kreistages abgestimmt wird. In der letzten Phase der NEP-Überprüfung, die Grundlage für die Entscheidung der Bundesnetzagentur über weitere Netzausbauvorhaben ist und auch darüber, wie ausgebaut wird, haben Kommunen, Verbände und Privatpersonen die Gelegenheit, ihre Stellungnahme abzugeben.

Damit habe der Landkreis die Möglichkeit, im Interesse der betroffenen Bürger seine Einwendungen zum Neubau der 380 kV-Freileitung auf seinem Territorium geltend zu machen.

Das betrifft übrigens sowohl den geplanten Starkstrom-Freileitungsbau im Abschnitt Perleberg-Stendal, in dem die Betroffenen der Region Seehausen leben, als auch den Abschnitt Stendal-Wolmirstedt, in dem die Starkstromtrasse den Anwohnern in Lüderitz sehr nahe kommt.

Zu nah, wie Kreistagsmitglied und Lüderitzer Bürgermeisterin Edith Braun (parteilos) noch einmal ihre und die Position der Betroffenen in der größten Ortschaft der Einheitsgemeinde Stadt Tangerhütte bekräftigte. In diesem Bereich verläuft die Starkstromtrasse im Abstand von 320 Metern an den Wohngrundstücken vorbei. Der einzuhaltende Mindestabstand betrage aber 400 Meter. Zudem spreche gegen ein Freileitung dieser Dimension die Tatsache, dass Lüderitz bereits durch andere Faktoren wie den Windpark Hüselitz und der künftigen A 14 zusätzliche Belastungen zu tragen habe.

Argumente, die Braun auch mit Blick auf die kreisliche Stellungnahme in die Waagschale geworfen wissen möchte. Dass Befürworter der Freileitungsvariante (für Lüderitz wie auch für Seehausen) von einer Aufrüstung der bestehenden 220 kV-Leitung auf 380 kV spreche und für so eine Aufrüstung kein Raumordnungsverfahren nötig sei, ließ die Kreistagsabgeordnete nicht gelten. „Das ist keine Ersatzinvestition, das ist der Neubau einer Starkstromleitung. Da hätte es ein Raumordnungsverfahren geben müssen, gab es aber nicht. Es wurden so viele Formfehler gemacht, die darf man nicht durchgehen lassen.“

Bestärkt sehen sich die Gegner der Freileitungsvariante durch Beispiele in anderen Regionen Deutschlands, in denen nach Bürgerprotesten und Einwendungen erdverkabelt wurde. Helga Paschke: „Im Teutoburger Wald werden jetzt auf mehreren Abschnitten auch Erdkabel verlegt, und das trotz schwieriger Geländeverhältnisse.“

Dass die Kreistagsmitglieder auf die Unterstützung ihrer Forderung nach Erdverkabelung die Kreisverwaltung auf ihrer Seite haben, sicherte der erste Stellvertreter des Landrates, Denis Gruber (SPD), zu. Man werde die Stellungnahme erarbeiten. Unabhängig davon werde der Landkreis am kommenden Montag bereits Gespräche mit dem künftigen Netzbetreiber führen.