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Lichttage 2020 Impressionen aus Licht und Klang

Die Stendaler Lichttage zeigen 2020 an vier Veranstaltungsorten schillernde Kunstprojekte. Künstler aus ganz Deutschland zeigen ihr Können.

Von Kaya Krahn 16.10.2020, 17:04

Stendal l Die tiefen Bassklänge dringen durch die schwere Kirchentür von St. Jakobi nach draußen in die Dunkelheit. Der Innenraum der Kirche wird von den Tönen und Farben durchdrungen. Das kommt gut an: Am ersten Abend der sechsten Stendaler Lichttage waren bis um 21.30 Uhr bereits 450 Besucher in dem Gotteshaus, sagt der Künstler John Eckhardt.

Die St. Jakobi Kirche ist einer von vier Standorten der diesjährigen Lichttage in Stendal. In dem Inneren der Kirche haben Katrin Bethge und John Eckhard eine Musik- und Lichtinstallation erarbeitet. „Wir wünschen uns ein synästhetisches Erleben für den Besucher“, sagt die Künstlerin Katrin Bethge. Sie hat die Lichtinstallationen in der Kirche inszeniert – mit Overheadprojektoren, Archivfotos und diversen Materialien, die sich in ihrer Konsistenz und Beschaffenheit unterscheiden. „Ich arbeite mit Sand aber auch mit Flüssigkeiten; pervormativ“, sagt sie. „Ich will Räume atmosphärisch aufladen, mit Farben und Licht. Und ich will aufgreifen, wie ich die Kirche beim Betreten empfunden habe. Mit Fragmenten der Geschichte. Die Kirche ist so alt, so viele haben sie gesehen. Der Ort ist aufgeladen. Das liegt mir am Herzen.“

Den Raum wahrnehmen, das will auch John Eckhardt, der die Bassmusik in der St. Jacobi komponierte. „Ich habe mehrere Tage in der Kirche verbracht und ihre musikalischen Merdiane abgetastet“, sagt er. „Der Bass eignet sich besonders gut, um einen Raum zu erschließen. Es ist eigentlich wie ein akustischer Fingerabdruck.“ Das Bauwerk sei erstaunlich leicht zu erfassen gewesen. Und das, obwohl gleich zwei Räume bespielt werden müssen. „Die Klänge harmonieren gut miteinander. Das ist nicht immer der Fall. Vielleicht liegt es an der Weise, wie durchdacht Kirchen früher gebaut wurden. Symmetrie spiegelt sich auch in den Tönen“, spekuliert er. „Aber das müsste man genauer untersuchen.“ Sein Ziel ist es, den Raum seine Geschichte erzählen zu lassen. „Dabei ist uns die Poesie und das Archaische zugleich wichtig.“

Der Weg durch die Kirche ist mit Pfeilen am Boden gekennzeichnet. Damit sollen die Besucher corona-konform durch die Installation geführt werden, auch wenn das Projekt eigentlich zum Verweilen einlädt. „Um es richtig zu erfassen, müssten die Besucher länger bleiben. Und ihre Handys in der Tasche lassen“, sagt Eckhardt mit einem Augenzwinkern am Eröffnungsabend.

Katrin Bethge und John Eckhardt arbeiten bereits seit über zwanzig Jahren zusammen. Dementsprechend schnell gingen die Organisation. „Die Vorbereitungen waren zweigeteilt, einmal die Arbeit hier vor Ort, da haben wir am vergangenen Samstag begonnen. Davor war Katrin aber bereits mehrfach im Archiv in Stendal um die passenden Fotos herauszusuchen“, schildert der Musiker. Zeit zum Ausruhen haben die beiden Künstler nach den Lichttagen nicht – am Montag starten sie ihre nächste Installation in Norddeutschland.

Von der St. Jakobi Kirche geht es weiter in Richtung Nordwall Classic Garage. Auf dem Weg dorthin liegt eine Licht-Foto-Installation der Künstlerin Nica Junker. Die Bilder werden in einer etwa 13 Minuten langen Video-Schleife in den Schaufenstern des Küchenhauses Altstadt abgespielt. „Ich fotografiere mit der alten Kamera meines Vaters“, sagt Junker. „Alles analog. Dabei habe ich die Fotos teilweise sechsmal belichtet. Das ist wie Malen mit Licht.“

Die Fotos entstanden bei ihrem letzten Aufenthalt in Stendal. Vergangenes Jahr verbrachte sie bereits einige Zeit in der Hansestadt. Währenddessen sei sie mehrfach die vier Buslinien der Stadt gefahren. Die dabei entstandenen Fotografien wirken durch die Entfremdung beinahe wie Gemälde. „Ich mache keine gegenständliche Fotografie. Ich arbeite partizipativ, habe Langzeitbelichtungen gemacht“, schildert sie ihre Arbeitsweise. Die Fotos sind jedoch nicht die einzige Arbeit von Junker auf den diesjährigen Lichttagen.

Ihr zweites Projekt wird auf dem Hof des Jugendfreizeitzentrums Mitte gezeigt. Es ist ein Projekt mit Kindern und Jugendlichen aus Stendal. Dabei konnten sie Fotos von dem machen, was sie gerne zeigen möchten. Etwa, was ihnen auf ihrem Schulweg gefällt. „Dabei habe ich die Arbeit eher angeleitet, mehr Regie gemacht“, sagt Nica Junker. Auch die Musik, mit der das Video hinterlegt ist, ist von Jugendlichen. Genauer gesagt von Schülern aus der Musikschule, die gemeinsam, das erste Mal überhaupt, improvisiert haben.

Die Musik klingt bis auf die Straße vor dem Jugendfreizeitzentrum. Dort können sich die Besucher mit Glühwein und Bratwurst stärken. Damit es nicht zu kalt wird, stehen Feuerschalen bereit – natürlich mit Abstand.

Vom Jugendfreizeitzentrum ist es nicht mehr weit bis zu der Nordwall Classic Garage. Die Veranstalter haben sich etwas Besonders ausgedacht, um die Gäste dort zu begeistern. „Wir haben lange überlegt, was wir in der Garage machen können“, sagt Herbert Cybulska, künstlerischer Leiter der Lichttage. „Der Prozess war lang, wir haben Texte geschrieben und verworfen, weil wir dachten, es würde in die Banalität abrutschen.“ Das Ergebnis der Arbeit kann sich sehen – und hören – lassen. Die beiden Musiker Matthias Raue und Peter Schwalm verbinden Geigenmusik, orchestrale Klänge und elektronische Musik, um die Autos zu Wort kommen zu lassen. Denn die sollen ihre Geschichten erzählen. Den Texten dafür hat sich Claudia Gabler gewidmet.

„Wir wollen das Poetische und Elektronische der Autos ausdrücken und verbinden“, sagt Matthias Raue. „Wir wollen die Texte weiterführen, eine andere Ebene öffnen. Das hat gut funktioniert. Dabei war uns wichtig, nicht plakativ zu werden. Der Klang soll das, was aus der Geschichte entsteht, weiter erzählen.“ Dass die musikalische Umsetzung so gut funktioniert, dürfte auch daran liegen, dass sich die beiden Künstler bereits kennen. „Wir haben eine gemeinsame CD aufgenommen“, so Raue. Inhaltlich werden in der Nordwall Garage motorisierte Pendants aus Ost und West gegenübergestellt. Paare sind dabei etwa ein Trabi und ein Käfer oder ein Volga und ein Chevrolet. Die Vorstellung dauert 20 Minuten, die zwei Musiker treten live auf.

Die Besucher werden mit vielen Eindrücken aus dem Abend entlassen. Und auf dem Weg ins Zentrum, vorbei an der St. Jakobi Kirche, klingt leise der tiefe Bass auf die nächtlichen Straßen.

Die Stendaler Lichttage sind heute von 19 bis 22 Uhr geöffnet. Eintritt ist kostenlos.