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Orthopädietechnikerin Lydia Bäthge (23) ist die Beste ihres Jahrgangs im Kammerbezirk Magdeburg Mit Freude im menschlichen Ersatzteillager

06.12.2012, 01:42

Es wird gesägt, gebohrt, gefeilt gefräst und geschliffen. Was nach schweißtreibender Männerarbeit klingt, ist für Lydia Bäthge ganz normal. Die 23-Jährige aus Osterburg ist seit Februar Orthopädietechnikerin im Atelier für technische Orthopädie (AtO) in Stendal. Heute wird sie als Beste ihres Jahrgangs aus dem Kammerbezirk Magdeburg geehrt.

Von Kilian Drescher

Stendal l "Wenn das der Meister sieht", sagen Lydia Bäthges Kollegen, als sich die junge Frau für das Foto auf die Werkbank setzt. Das ist in der Werkstatt des AtO nämlich streng verboten und wird vom Meister gar nicht gern gesehen. Zum Glück ist der aber heute nicht da - also wird eine Ausnahme gemacht. Sobald das Foto im Kasten ist, legt die 23-Jährige los. Anhand einer neuartigen Beinorthese, einem so genannten Allgöwer-Apparat, erklärt sie, womit sie es jeden Tag zu tun bekommt. Die Apparatur ist Bäthges Gesellenstück und soll die Ferse entlasten. Gleichzeitig wird das Körpergewicht vom Knie abgefangen. Klingt kompliziert - und ist es auch.

Lydia Bäthge ist seit Februar dieses Jahres fertig ausgebildete Orthopädietechnikern. Ihr Fachgebiet: Fußorthesen für Kinder. Anders als in der Prothetik, in der Körperersatzteile nach Amputationen oder bei angeborenen Miss- und Fehlbildungen gebaut werden, stellt man in der Orthetik die Hilfsmittel her, die die Körperfunktionen unterstützen oder ersetzen. Zum Beispiel ersetzt ein Lähmungsapparat die Muskelkraft dort, wo sie ausgefallen ist, oder eine Orthese korrigiert beispielsweise eine Beugekontraktur.

Die Vielfältigkeit ist es, die Lydia Bäthge an ihrem Beruf so fasziniert. "Es macht einfach Spaß, weil der Beruf sehr vielseitig ist und es immer etwas Neues zu sehen gibt. Jedes Modell ist schließlich sehr individuell", sagt die Osterburgerin, die als Frau längst keine Ausnahme in ihrem Job mehr ist. Denn was früher als Männerberuf galt, lockt immer mehr Frauen an die Werkbank. Neben handwerklichem Geschick zählen auch Teamfähigkeit und soziale Kompetenzen zu den wichtigsten Eigenschaften eines guten Orthopädietechnikers. Die Ausbildung dauert dreieinhalb Jahre. Praxisbezogene Arbeit steht dabei im Vordergrund. Viermal im Jahr geht es dann für drei bis vier Wochen zum theoretischen Unterricht nach Gotha in Thüringen.

Ohne Latein kommt man nicht durch die Gesellenprüfung

Allzu lange kennt Lydia Bäthge ihr Berufsfeld aber noch gar nicht. "Bis zur zwölften Klasse wusste ich gar nicht, was ich einmal werden möchte", gibt sie zu. Erst auf der Stendaler Berufsbildungsmesse im Jahr 2008 wurde sie auf ihren heutigen Beruf aufmerksam und war sofort Feuer und Flamme. "Ich hatte schon immer viel Spaß an handwerklichen Sachen", sagt sie. Es folgten ein dreitägiges Praktikum bei AtO, dann die Bewerbung, die Zusage und nach dreieinhalb Jahren schließlich die Übernahme. "Toll, dass das bislang alles so gut geklappt hat", sagt Bätghe, die sich in ihrem Betrieb nach wie vor sehr wohl fühlt.

Für die Ausbildung zum Orthopädietechniker reicht ein Hauptschulabschluss, Abitur wird jedoch empfohlen. Denn ohne Lateinkenntnisse kommt man kaum durch die Gesellenprüfung. Schließlich müssen die lateinischen Fachbegriffe für Knochen und Krankheiten sitzen. Und das tun sie bei Lydia Bäthge. 92 Prozent im praktischen Teil, dazu Note "sehr gut" in der Theorie. Das Ergebnis: beste Orthopädietechnikerin ihres Jahrgangs und damit gleichzeitig Kammersiegerin aus dem Kammerbezirk Magedeburg.

Dafür wird sie heute im Rahmen des "Leistungswettbewerb des Deutschen Handwerks" in Bernburg geehrt.