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Neue Regeln Mehr Platz für Radfahrer

Radfahrer bekommen mehr Rechte und Schutz. Ein ADFC-Experte aus der Altmark ordnet die Neuerungen ein.

Von Nora Knappe 09.05.2020, 01:01

Stendal l Es hat doch alles sein Gutes – auch erzwungene neue Gewohnheiten. So können wir uns die 1,50-Meter-Abstandsregel aus dem Corona-Knigge auch gleich für ein weiteres Feld der Begegnung merken: das Überholen von Radfahrern. 1,50 Meter nämlich sind der seit Ende April in der novellierten Straßenverkehrsordnung festgeschriebene Mindestabstand beim Überholen innerorts. Außerorts sind es zwei Meter.

Und das bedeutet in der Praxis: Ich kann einen Radfahrer nur dann überholen, wenn die Gegenfahrbahn frei ist. Kein Dranvorbeiquetschen, kein Bedrängen – und: auch kein Drängeln. Bisher schrieb die StVO dazu nur schwammig von „ausreichendem Seitenabstand“.

Diese Neuerung freut fraglos auch den ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrradclub). Für die ostaltmärkische Region ist Werner Hartig Ansprechpartner, und er sieht darin eine überfällige Aufwertung des Radverkehrs, denn: „Jetzt ist eindeutig und klar: Radverkehr ist Teil des Fahrverkehrs. Und der Abstand von 1,50 Meter lässt sich eben auch technisch messen, da kann keiner diskutieren, ob es ‚ausreichend‘ war oder nicht.“

Hinzu kommen einige weitere Neuerungen, die den Radverkehr stärken und aus Hartigs Sicht ein Zeichen dafür sind, „dass der Druck der Öffentlichkeit wächst und offenbar groß genug ist, etwas zu bewirken“. Radfahrer dürfen jetzt auf der Fahrbahn ganz legal zu zweit nebeneinander fahren – innerorts und außerorts. Hartig dazu: „Es ist ja letztlich auch kein Unterschied, denn überholen kann ich jetzt sowieso nur noch, wenn die Fahrbahn gegenüber frei ist.“ Zudem biete es Eltern die Möglichkeit, schützend links neben ihren Kindern zu fahren. „Das ist vor allem dort sinnvoll“, so Hartig, „wo es keine Radwege gibt. Und das ist an den meisten außerörtlichen Straßen in unserer Region der Fall.“

Apropos Überholen von Zweirädern: Das kann Kraftfahrzeugen jetzt durch ein neues Verkehrszeichen (siehe Infokasten) sogar gänzlich verboten werden, wenn Straßen dafür einfach zu schmal sind. „Hier ist es dann natürlich auch geboten, dass Radfahrer vom Nebeneinander ins Hintereinander wechseln“, so Hartig. Auf Geh- und Radwegen sowie Fahrrad-Schutzstreifen (so wie zum Beispiel für den Schadewachten geplant) ist zudem nicht mehr nur das Parken verboten, sondern auch das Halten.

Um Radfahrer zu schützen, gilt außerdem: An Kreuzungen und Einmündungen, an denen ein Radweg verläuft, darf erst acht Meter vor den Schnittpunkten der Fahrbahnkanten geparkt werden – bisher waren es fünf Meter. „Das erhöht die Sichtbarkeit von Radfahrern“, so Hartig. Und die sollen übrigens an solchen gefährlichen Schnittpunkten auch dadurch besser geschützt werden, dass Lkw beim Rechtsabbiegen nur noch Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen.

Dass diese neuen Regelungen insbesondere den Kraftfahrern mehr Geduld abverlangen, ist Werner Hartig klar. „Das ist jetzt sicher stressiger für Autofahrer, aber es muss eben ins Bewusstsein, dass Radfahrer gleichberechtigte Nutzer der Fahrbahn sind.“

Eine Erleichterung für alle, da der Verkehr damit flüssiger und übersichtlicher wird, ist das Grünpfeil-Zweierlei: Erstens gilt der Grünpfeil an Ampeln ab sofort auch für Radfahrer, die sich der Kreuzung auf einem Radfahrstreifen, einem Schutzstreifen oder einem baulich erkennbaren Radweg nähern. Zweitens gibt es die Möglichkeit, extra für Radfahrer ein eigenes Grünpfeil-Schild zu installieren. „Das empfiehlt sich dort, wo viel Fahrradverkehr ist, denn man kann damit verhindern, dass Kraftverkehr und Fahrräder gleichzeitig abbiegen.“

Größere Bedeutung erfahren zudem Lastenräder. In zweierlei Hinsicht: „Erstens ist jetzt die Personenbeförderung mit Fahrrädern ohne Altersbegrenzung möglich“, erklärt Hartig. „Also nicht auf dem Gepäckträger oder der Lenkstange, aber so können jetzt auch Erwachsene zum Beispiel im Anhänger mitfahren, sofern dieser baulich geeignet ist.“ Und zweitens gibt es ein ganz neues Verkehrszeichen, das den Parkplatz für Lastenräder ausweist (siehe Infokasten). „Das kann am Fahrbahnrand sein oder eben als Parkbucht“, sagt Hartig, „auch dies stärkt die Gleichberechtigung der Fahrräder.“

Doch nicht nur neue Freiheiten eröffnen sich den Radfahrern – auch strengere Strafen. Und zwar, wenn Fahrräder (oder auch E-Scooter) verbotswidrig einen Gehweg oder Radweg (zum Beispiel als Geisterfahrer) befahren. Hier reicht die Bußgeldspanne von 55 bis 100 Euro, je nachdem, ob man dabei jemanden behindert, gefährdet oder gar einen Unfall verursacht.