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Notrufsystem Wenn das Unfallauto sich meldet

Mit einem Autobauer wurde in Stendal ein automatisches Notrufsystem getestet. Der Landkreis Altmark ist damit Vorreiter.

Von Bernd-Volker Brahms 19.10.2017, 01:01

Stendal l Bei einem Autounfall mit verunglückten Menschen kommt es auf jede Sekunde an. Wertvolle Zeit verstreicht oft, weil Verletzte ihr Telefon nicht mehr selbst bedienen können und Helfer gar nicht oder erst sehr spät an der Unfallstelle sind.

Hier setzt die E-Call-Richtlinie der Europäischen Union an. Wird zukünftig bei einem entsprechend ausgestatteten Fahrzeug nach einem Unfall beispielsweise der Airbag ausgelöst, dann wählt das System selbständig die europaweite Notrufnummer 112 und setzt einen automatischen Notruf ab. Über das Mobilfunknetz wird eine Sprachverbindung zur nächstgelegenen Rettungsleitstelle aufgebaut. Parallel dazu werden sofort wichtige Fahrzeugdaten an die Leitstelle übertragen.

Anfang September wurde dieses System, das künftig ab 31. März 2018 in allen neu entwickelten Autos und Nutzfahrzeugen eingebaut werden muss, in Stendal von einem Autobauer und der Integrierten Leitstelle Altmark (ILS) getestet. Dies teilte der Landkreis Stendal jetzt mit. Der Autobauer möchte ungenannt bleiben. Getestet wurde, wie das Signal in der Leitstelle ankommt und dort verarbeitet wird.

Der Probelauf sei erfolgreich gewesen, sagt der zuständige Beigeordnete des Landrates, Sebastian Stoll (CDU). Künftig entsprechend ausgestattete Autofahrer könnten versichert sein, wenn sie in der Altmark und auch auf der A 14 unterwegs sind, könne ihnen im Notfall sehr schnell geholfen werden, sagte Stoll.

Die beiden altmärkischen Landkreise Stendal und Salzwedel hatten Anfang des Jahres 45.000 Euro für eine neue Hard- und Software für die Integrierte Leitstelle, die in Stendal in der Wendstraße beheimatet ist, ausgegeben.

Der Leitstellendisponent kann über die Freisprechanlage des Fahrzeuges mit den Insassen sprechen. Ist aufgrund der Schwere der Verletzungen keine Verständigung möglich, kennt die Leitstelle die Position des Unfalls, die Anzahl der Fahrzeuginsassen, Typ, Antriebsart und Fahrtrichtung des Fahrzeugs.

Mit Hilfe dieser Daten können Rettungskräfte jetzt schneller alarmiert und mit wichtigen Informationen versorgt werden. Damit ein automatischer Fahrzeugnotruf in der Leitstelle Stendal empfangen, ausgewertet und bearbeitet werden kann, mussten dort zunächst einmal die technischen Voraussetzungen geschaffen werden. Dies geschah mit dem Austausch von Geräten und Computerprogrammen in der ersten Jahreshälfte.

Nach dem Abschluss der Installation stand der Landkreis Stendal jedoch vor dem Problem, dass die Funktionsfähigkeit nicht praxisnah getestet werden konnte. Denn es existiert noch kein Serienfahrzeug, welches mit dem Euro-E-Call ausgestattet ist. Bisher gibt es lediglich Automodelle, die mit einem herstellerspezifischen Notrufsystem ausgerüstet sind. Diese Notrufe kommen jedoch in einem Callcenter und nicht in den regionalen Rettungsleitstellen an.

Um trotzdem testen zu können, nahm der Landkreis Stendal Mitte des Jahres Kontakt zu einem deutschen Automobilhersteller auf und fragte nach der Möglichkeit, so eine Überprüfung mit einem Entwicklermodell durchzuführen, erläutert Stoll.

Mit dieser Anfrage habe der Landkreis einen Volltreffer gelandet – denn der Hersteller hatte bisher keine Leitstelle in Deutschland gefunden, die bereits über ein voll funktionsfähiges E-Call-Empfangsystem verfügt. Die Ingenieure mussten bisher für Tests immer bis nach Luxemburg fahren. Begeistert sei deshalb die Einladung angenommen worden, für einen ausführlichen Probelauf nach Stendal zu kommen. „Landesweit sind wir damit die ersten, vielleicht sogar bundesweit“, sagt Sebsatian Stoll.

Als die Experten im September anreisten, die sich in dem Unternehmen seit Jahren mit der Entwicklung der E-Call-Einheit beschäftigen, hatten sie zwei Autos dabei, in die solche Geräte bereits eingebaut waren. Der Testlauf wurde zunächst besprochen, mit dabei der Leiter der Leitstelle, Matthias Wollenheit. Dann ging es in die Praxis. Zuerst wurde in einem der Autos der Notruf manuell ausgelöst. Eine entsprechende Taste gehört künftig in allen E-Call-fähigen Autos zur Ausstattung dazu. Der Notruf kam in der Rettungsleitstelle an und konnte erfolgreich entgegengenommen werden.

Dann zeigten sich jedoch nach Angaben des Landkreises die ersten Schwierigkeiten: Das Einlesen der Daten in das Leitstellensystem funktionierte nicht korrekt. Solche Anlaufprobleme hatten die Leitstellentechniker aber auch erwartet, heißt es. Deshalb waren der Hersteller des E-Call-Dekoders und Servicetechniker für die Leitstellensoftware per Fernwartung dazugeschaltet. An vier Orten gleichzeitig wurde über mehrere Stunden zusammengearbeitet. Einstellungen wurden geändert, Updates eingespielt, Fahrzeuggeschwindigkeit, Fahrtrichtung und Anzahl der Insassen wiederholt gewechselt, Airbag-Auslösungen simuliert und parallel immer wieder manuelle und automatische Notrufe ausgelöst.

Ziel sei es gewesen, alle notwendigen Systemparameter zu testen. Das Resultat der gemeinsamen Bemühungen wurde zum Abschluss anhand einer Konformitätsbewertung überprüft. Dies ist eine zehn Punkte umfassende Checkliste, welche alle Funktionen beinhaltet, die durch ein E-Call-System gewährleistet werden müssen. Von diesen Punkten waren letztendlich am Ende dieses Testtages bereits neun Anforderungen erfüllt.

Beide Seiten haben bekundet, dass sie die gemeinsamen Tests fortsetzen werden. Wenn die ersten Autos mit E-Call auf den Straßen der Altmark rollen, werde das System fehlerfrei funktionieren.