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RückkehrerEine, die zurückgekommen ist

Die Stendalerin Janine Haufe ist vor zwei Jahren in ihre Heimat zurückgekehrt. Der Landkreis wünscht sich, dass mehr junge Leute folgen.

Von Anne Toss 24.08.2017, 01:01

Stendal l Stendal, Hamburg, Erlangen, Berlin – wie viele junge Menschen hat Janine Haufe nach ihrem Schulabschluss ihre Heimatstadt verlassen. Die staatlich geprüfte Lehrerin für Tanz und tänzerische Gymnastik macht keinen Hehl daraus, dass sie die großen Städte lockten: „Ich wollte schon immer nach Berlin.“ Als sie 2015 tatsächlich dort ankam, stellte sich aber auch eine gewisse Ernüchterung ein. „An Tanzkursen gibt es dort einfach ein Über-Angebot. Das drückt natürlich die Honorare. Eigentlich lebst du in Berlin nur, um zu überleben.“

Daher fasste sie den Entschluss, ihre eigene Tanzschule zu gründen – in ihrer Heimatstadt Stendal. „Die Entscheidung habe ich vorrangig aus wirtschaftlicher Sicht getroffen. Privat wäre ich gerne in Berlin geblieben, auch um selbst weiter zu tanzen“, sagt die 27-Jährige. Die Reaktionen auf ihren Entschluss fielen recht unterschiedlich aus. „Meine Familie hat es natürlich gefeiert“, erinnert sich Haufe und lacht, „aber vor allem die, die außerhalb von Stendal wohnen, konnten nicht nachvollziehen, warum ich von Berlin hierher zurückziehe. Da hatte ich auch oft das Gefühl, dass ich mich für diesen Schritt rechtfertigen muss.“

Zurückkehren – was für viele noch unverständlich, gar utopisch erscheint, will der Landkreis Stendal jetzt forcieren. Am 27. Dezember – der Termin ist bewusst gewählt, da über Weihnachten viele ihre Familie in der Heimat besuchen – findet deshalb erstmals ein Rückkehrertag statt, Arbeitgeber präsentieren sich und ihre Jobangebote im Landratsamt. Auf der Website wirbt der Landkreis mit bezahlbarem Wohnraum, verfügbaren Kita-Plätzen sowie Kontakt zu Freunden und Verwandten. All jene, die bisher auf die Vorzüge ihrer Heimat verzichtet hätten, weil es angeblich in der Altmark keine Arbeit gäbe, können sich am Tag nach dem Fest vom Gegenteil überzeugen, heißt es dort.

Ein Blick nach Brandenburg zeigt, wie Rückkehrer-Initiativen funktionieren können. „Comeback Elbe-Elster“, das 2012 als private Initiative von Stephanie Auras-Lehmann in Finsterwalde im Süden Brandenburgs gegründet wurde, berät dort potenzielle Rückkehrer. Mittlerweile ist aus dem reinen Online-Angebot eine Willkommensagentur hervorgegangen. „Ich warne ja vor Messen. Eine Messe oder ein Rückkehrertag ist eine Aktion. Aber wie geht es dann weiter? Zum Schluss kommt es doch darauf an, wie nachhaltig man das aufbaut, wie sehr man sich als Kommune engagiert“, sagt Auras-Lehmann.

Die Zielgruppe der Willkommensagentur hat sich aufgrund der steigenden Nachfrage stetig erweitert. Zuzügler, Pendler und Jobwechsler gehören nun ebenfalls dazu. „Wir nehmen Anfragen an und betreuen diese weiter, auch wenn es ein, zwei Jahre dauert“, sagt Auras-Lehmann. Dabei profitieren sie und ihre Mitstreiter insbesondere von dem Netzwerk, das sie sich über mehrere Jahre aufgebaut haben. „Die Menschen werden von A bis Z beraten, zu allen Themen. Die Informationen und Kontakte, die wir vermitteln, sind so genau und präzise, dass sie sich bei uns aufgehoben fühlen.“ In den vergangenen vier Jahren hat „Comeback Elbe-Elster“ 350 Menschen betreut, 100 befinden sich im aktuellen Pool der zu Vermittelnden.

Für Janine Haufe war die Rückkehr nach Stendal trotz bereits vorhandener Kontakte ein Sprung ins kalte Wasser, auch weil bei ihr die Selbstständigkeit damit einherging. „Der Existenzgründerkurs am Innovations- und Gründerzentrum hat mir sehr geholfen. Aber es beruht eben auch viel auf Eigeninitiative. Ich habe bei Veranstaltern angerufen und nachgefragt, ob wir uns als Tanzschule einbringen können.“

Doch obwohl ihre Tanzschule erfolgreich angelaufen ist, hatte sie nach sechs Monaten „keinen Bock“ mehr. „In Stendal gibt es einfach nichts für junge Menschen, die so in meinem Alter sind.“ In dieser Zeit habe sie es sich offengehalten, doch noch einmal woanders hinzugehen.

„Bei dem Projekt Traumfabrik des Stendaler Theaters hat sich mir dann aber ein Satz eingeprägt: ‚Machen statt meckern!‘ Das hat gepasst, das fand ich super“, sagt die 27-Jährige. „Ich sehe in Stendal einfach mehr Möglichkeiten, Dinge zu realisieren und zu bewegen als in Großstädten. Dort kann es passieren, dass man einfach verschluckt wird.“