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Schönster Garten Brigitte Lorenz und ihr Tangermünder Paradies

Beim Schönheitswettbewerb der Kleingartenanlagen geht es auch um den attraktivsten Einzelgarten. Es ist der von Brigitte Lorenz.

Von Egmar Gebert 06.08.2016, 01:01

Tangermünde l Sommerzeit ist Urlaubszeit. Die einen zieht es in die Ferne, für die anderen liegt das Gute ganz nah. Brigitte Lorenz gehört zu den anderen. Ihr Urlaubsziel ist der Garten. Wobei das mit dem „ganz nah“ relativ ist. Ihr Garten liegt rund 90 Kilometer Luftlinie von ihrem Zuhause entfernt. Ein kleines Paradies am Rande der wunderschönen Stadt Tangermünde. So zumindest sieht es die 68-Jährige. Vor acht Jahren kam sie zum ersten Mal in die altmärkische Kleinstadt, das Rothenburg an der Elbe, wie sie ob ihres mittelalterlichen Stadtkerns touristisch gern vermarktet wird. Brigitte Lorenz, die hier Freunde besuchte, empfand es genau so.

„Ich habe mich auf Anhieb in dieses Städtchen verliebt“, sagt die Frau, die in Calbe an der Saale aufwuchs und noch heute in der Nähe, im 1000-Seelen-Ort Großmühlingen lebt.

Hier – also in Tangermünde – einen Garten zu haben, das wäre ein Traum, dachte sich Brigitte Lorenz und machte sich auf die Suche. „Ich habe alle Gartenvereine in der Stadt und drum herum abgeklappert, und dann diesen Garten gesehen.“ Und wieder erging es der Frau, zu deren Leben das Kleingärtnern immer gehörte, wie mit der Stadt: Eine Liebe auf den ersten Blick.

Der Zufall wollte, dass die 300 Quadratmeter große Parzelle im Kleingartenverein „Im Tangergrund“ auch tatsächlich zu vergeben war. Dass Brigitte Lorenz keine Tangermünderin war, wen stört‘s?

Den Vereinsvorstand damals im Jahr 2009 jedenfalls nicht. „Wichtig ist, dass die Chemie stimmt. Wer zu uns passt, ist willkommen“, sagt Tom Schnur, der als heutiger Vereinsvorsitzender an der schon bei seinem Vorgänger geltenden Vereins- philosophie festhält. Dass die „Tangergrund“-Kleingärtner mit der Entscheidung für die Frau aus Großmühlingen ein derart gutes Händchen bewiesen, konnten sie damals noch nicht ahnen. Birgitte Lorenz übernahm die Parzelle, kultivierte weiter, was ihr gefiel, wie zum Beispiel die Polsterstauden, die ihre Vorgängerin an die Wegränder gepflanzt hatte, und gestaltete um, wo sie ihr kleingärtnerisches Konzept verwirklichen wollte.

Wobei das ein sehr blumiges war. So zierten eines Tages rund 60 Pflanzen verschiedener Arten von Rosen ihr „Tangergrund“-Gärtchen. „Zu viel? Nein. Die Rose ist nun mal meine Lieblingsblume“, gesteht Brigitte Lorenz ein.

Daneben hunderte Tulpen und ganz besondere Obstgehölze, die sie geplanzt hatte. Birnen-, Apfel-, Pfirsich- oder Pflaumenbäume, auf deren Stämme zwei verschiedene Sorten des jeweiligen Obstes gepfropft waren. Der Lorenzsche Garten gehörte bald schon zu den Schmuckstücken der Vereinsanlage.

Und dann kam die Flut des Sommers 2013. Im Tangergrund trat der Bach, der diesem Stück Altmark seinen Namen gegeben hat, über die Ufer. Das Wasser aus der überbordenden Elbe kam dazu. Es stand bis unter die Decke der ohnehin etwas erhöht stehenden Laube von Brigitte Lorenz und damit mehr als zwei Meter hoch.

Sechs Wochen später, als die leidenschaftliche Hobygärtnerin ihre „Oase“ wieder betreten konnte, war nichts von der Pracht mehr da. Stattdessen erwartete sie eine verschlammte, verfaulte, im Hochwasser ertrunkene Einöde. Nur eine Weide hatte die Flut überstanden. Brigitte Lorenz fing – wie fast alle in der Vereinsanlage – ganz von vorn an.

Vereins-Chef Tom Schnur erinnert sich: „Manch einer stand mit Tränen in den Augen am Gartentor und hat gesagt: Das war‘s. Ich gebe auf. Ich hab dann gesagt: Das kriegen wir wieder hin. Wirst sehen, das wird schöner, als es vorher war. Und das ist es dann ja auch geworden.“ Der Mann hat Recht. Nicht zuletzt, weil es dieses „Wir“ in den Wochen und Monaten nach der Flut im „Tangergrund“ wirklich gegeben hat.

Auch Brigitte Lorenz krempelte die Ärmel auf und schuf sich ihr kleines Paradies neu. Schöner als zuvor? Das vermag sie nicht zu beurteilen. So schön jedenfalls, dass sie sich an jedem Gartentag aufs Neue daran freut. Und von diesen Tagen gibt es viele im Jahr. Sowie die Frühlingssonne die Ackerkrume zu wärmen beginnt, ist Brigitte Lorenz in ihrem Tangermünder Garten zu finden.

Zwei Wochen hier, dann zu Hause in Großmühlingen nach dem Rechten sehen und wieder auf nach Tangermünde. So gehe es das ganze Jahr bis in den Oktober hinein. Und auch an verschneiten Wintertagen sei sie schon in der Vereinsanlage gesichtet worden – nur mal schauen, wie es so aussieht, ist von Gartennachbarin Doreen Schnur zu erfahren.

So viel Engagement sieht man dem Garten-Kleinod natürlich an. Als die Jury des diesjährigen Kleingartenanlagen-Schönheitswettbewerbs die Anlage am Tanger- münder Stadtrand unter die Lupe nahm, fiel ihr der Garten von Brigitte Lorenz auf. Erste Fotos wurden gemacht, die in die engere Wahl kamen, als es galt, den besten Einzelgarten im Kreisverband der Gartenfreunde zu küren. Eine Wahl, die Brigitte Lorenz schließlich gewann.

„Ich war wie von den Socken, wusste gar nicht, was ich sagen sollte. Ja, die Leute, die hier vorbeigehen, sagen schon mal, dass sie meinen Garten hübsch finden, aber so was – da rechnet man doch nicht mit“, versucht die „Schöpferin“ des schönsten Kleingartens 2016 ihre Gefühle bei der Preisverleihung in Worte zu fassen. Inzwischen sei die Ungläubigkeit der Freude über die Anerkennung und auch einem bisschen Stolz gewichen.

Ein wenig davon hat auf Tom Schnur abgefärbt. Darf auch. Wobei der Vereinsvorsitzende ohne Probleme auf weitere schöne Gärten verweisen kann, was er auch gern tut. Ebenso wie auf die Tatsache, dass der mit 48 Parzellen zu den kleineren Anlagen zählende Verein rund 25 Kinder in seinen Reihen hat. Auch der Nachbargarten von Brigitte Lorenz ist der einer jungen Familie. „Der Altersdurchschnitt in unserem Verein liegt so etwa bei 40 Jahren. Ich finde, das ist nicht schlecht“, sagt Tom Schnur. Und auch damit hat er Recht.