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Günter Börner ist seit 50 Jahren Tapezierermeister: Er erzählt über einzigartige Möbel und seine Reise gen Westen Selbstgemacht sitzt sich am besten

Von Florian Schillat 11.07.2013, 01:09

Es ist eine filmreife Erfolgsgeschichte: Aus dem Nichts gründete Günter Börner seinen eigenen Betrieb, reiste quer durch die Republik und sogar nach Frankreich, um seinen Mitbewerbern immer einen Schritt voraus zu sein. Der 27. Juni 2013 schließlich die Krönung: Günter Börner erhielt jetzt den goldenen Meisterbrief als Tapezierermeister.

Stendal l Unaufgeregt steht Günter Börner an der Pforte seines Hauses. Seit 1973, zehn Jahre nach seiner Meisterprüfung, werkelt und tüftelt der begnadete Tapezierer an seinem Haus. "Es ist nie vollkommen", wispert der 84-Jährige, den Blick gen Himmel gerichtet. Er ist und bleibt eben ein Perfektionist - und ein Handwerker wie aus dem Bilderbuch.

"Das ist hier mein letztes Modell", sagt er mit einer Liebe in der Stimme, als wäre das Sofa auf dem er gerade Platz genommen hat, eines seiner Kinder. Fast seine komplette Einrichtung ist Marke "Eigenbau". "Von selbstentworfenen Polstermöbeln, über Serienfabrikationen, bis hin zu ganzen Garnituren: Mein Team und ich haben den Kunden fast jeden Wunsch erfüllt", erzählt Börner. Schon immer habe er auf das Gefühl des Handgemachten gesetzt: Qualität statt Quantität. "Der Bedarf war riesengroß, mit zehn Leuten konnte ich das kaum bewältigen".

"Börner kannte man"

Kein Wunder: Günter Börners Stil war unverkennbar. Seine Möbel sollten "international, modern und so komfortabel wie möglich" sein. Eigenhändig baute er nach westlichem Vorbild Schaumstoffmaschinen und Pressen, um seine Visionen in die Tat umsetzen zu können. "Die Anfragen kamen aus ganz Deutschland, alle wollten meine einzigartigen Modelle haben. Börner kannte man."

Dabei stand seine Karriere anfangs bestenfalls in den Sternen. Mit vierzehn Jahren beginnt Günter Börner 1944 seine Lehre Im Alten Dorf. Nur ein Jahr später wird er eingezogen, erlebt den zweiten Weltkrieg in seinen dunkelsten Stunden. 1947 kann er die Tapzierer-Lehre schließlich beenden - zumindest auf dem Papier. "Denn meine eigentliche Ausbildung fing jetzt erst an", sagt Börner. Er wandert aus, reist kreuz und quer durch den Westen, arbeitet in den 50er Jahren für fünf Jahre in Frankreich, um seinen Horizont zu erweitern. 1960 kehrt er in die DDR, eine für ihn mittlerweile fast fremde Welt, zurück.

Wenige Jahre nach seiner Meisterprüfung 1963 sollte er die Misswirtschaft der sozialistischen Republik am eigenen Leibe zu spüren bekommen. In seiner eigenen Werkstatt, die er 1968 gründete, arbeitet er bis spät in die Nacht, ist tagsüber viel unterwegs, um das Material für seine Möbel zu beschaffen. "Die Zuteilung war viel zu gering. Vom Staat erhielt ich keine Unterstützung, sie haben mir nur den Betrieb genehmigt, mehr nicht." Doch selbst diese Hürden überwand Börner. Seine Möbel waren gefragter denn je, sodass er sogar den staatlichen Unternehmen ein Dorn im Auge war: "Der Rat des Kreises hat meine Werkstatt sogar vorübergehend gesperrt, weil ich zu hoch gekommen bin." Als die DDR schließlich in die Brüche geht, geht auch er zu Bruch: Er erkrankt. 1992 muss er sich aus seinem Betrieb zurückziehen.

"Die Wände mit Seide bezogen"

Der Tapeziererberuf hat für ihn aber nichts an Faszination verloren. "Er hat ja keineswegs nur mit Tapeten zu tun!", sagt der 84-Jährige. "Wir haben Fußböden verlegt, Polstermöbel hergestellt, dekoriert und die Wände sogar noch mit Seide und Leder bezogen." Den Ausbildungsberuf Tapezierer gibt es heute nicht mehr. Er ist ein Fachgebiet der Raumausstatter.

Günter Börner sinkt in die weiche Polsterung seines letzten Werkes und schmunzelt: "DDR-Ware: Wie der Staat ist auch das Material weich geworden."