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Energie Solarparks auf Ackerland sind im Landkreis Stendal umstritten / Agri-Photovoltaik ist eine Alternative

Solaranlagen auf Ackerland? Mit solchen Ansinnen müssen sich Kommunalparlamente im Landkreis immer häufiger befassen. Eine neue Art von Anlagen ermöglicht es, die Flächen weiter landwirtschaftlich zu nutzen.

Von Andreas König 07.08.2021, 17:30
Diese Agri-Photovoltaik-Anlage in Süddeutschland. ermöglicht die landwirtschaftliche und energetische Nutzung.
Diese Agri-Photovoltaik-Anlage in Süddeutschland. ermöglicht die landwirtschaftliche und energetische Nutzung. Foto: BayWa r.e.

Stendal - Ein blendendes Glitzern in der Sonne muss heutzutage nicht mehr auf einen See hindeuten. Auch Solar- oder Photovoltaikanlagen reflektieren das Licht auf ihren glatten Oberflächen. Das ist einer der Gründe, warum sich viele Gemeinde- und Stadträte mit dem Thema schwertun.

In Schönhausen beispielsweise plant ein Investor mehrere große Solarparks – Gesamtfläche 155 Hektar, was 217 Fußballfeldern entspricht. Damit könnten rechnerisch 38750 Haushalte versorgt werden. Der Gemeinderat beschließt erst Ende September darüber. Doch bei einer Unterschriftensammlung im Dorf sprachen sich mehr als 900 Bürger dagegen aus. Viele sehen den Wert ihrer Grundstücke sinken, wenn riesige „Spiegelflächen“ vor ihrer Haustür entstehen. Der Kreisbauernverband Stendal ist grundsätzlich dagegen, „wertvolles Ackerland“ aufzugeben, um Solaranlagen darauf zu errichten. „Das geht nicht, weil diese Flächen für den Ackerbau und damit für unsere Ernährung wichtig sind“, sagt Kerstin Ramminger, die Geschäftsführerin des Kreisbauernverbandes. Solange es noch Reserven auf Dachflächen gibt, sollte dem „Ackerfraß“, wie sie es nennt, kein Vorschub geleistet werden. „Allerdings steht es unseren Mitgliedern frei, ihre Flächen für Photovoltaikanlagen zur Verfügung zu stellen“, fügt sie hinzu. „Zumal viele Böden im Süden des Landkreises nicht so gut sind.“

Grundsätzlich lehnt der Kreisbauernverband Photovoltaik-Anlagen auf Äckern ab. „Wenn überhaupt, sollten Grünlandflächen dafür genutzt werden, also Wiesen“, sagt Kerstin Ramminger.

Photovoltaik in der Wische, um Windkraft zu verhindern

Ob eine Photovoltaikanlage gebaut werden darf, hängt aber auch von den Beschlüssen der jeweiligen Gemeinde- oder Stadträte ab. Deren Abstimmungen fallen durchaus unterschiedlich aus. In Schönhausen (Verbandsgemeinde Elbe-Havel-Land) beispielsweise sieht es derzeit eher nach Ablehnung aus. Anders liegt der Fall beispielsweise in der Gemeinde Altmärkische Wische (VG Seehausen). „Wir bereiten gerade diverse Flächen für die Errichtung von Photovoltaikanlagen vor“, sagt der ehrenamtliche Bürgermeister Willi Hamann (parteilos).

Eine Agri-Photovoltaik-Anlage mit Traktor bei der Aussaat.
Eine Agri-Photovoltaik-Anlage mit Traktor bei der Aussaat.
Foto: Fraunhofer-Institut

„Wir haben einen Bebauungsplan erstellt und einen Sperrvermerk eintragen lassen, nicht zuletzt, weil wir die Errichtung von Windkraftanlagen nicht wollen“, erklärt Willi Hamann. Auf 80 Hektar sollen die Photovoltaik-Anlagen Strom aus Sonnenenergie erzeugen. „Das ist ein richtiges Kraftwerk“, sagt der Bürgermeister. „Angst vor einer Verschandelung des Ortsbildes hat er nicht. „Wenn rings um die Flächen Büsche gepflanzt werden, sieht man die Anlagen gar nicht“, sagt er.

Solaranlagen auf Stelzen ermöglichen Ernte unterm Sonnendach

Der Stand der Technik macht es möglich, dass auf landwirtschaftlichen Flächen sowohl Pflanzen angebaut werden als auch Solaranlagen genutzt werden können. „Agri-Photovoltaik“ heißt das Zauberwort. Dabei handelt es sich einfach ausgedrückt um Solaranlagen auf Stelzen. Sie sind so hoch, dass Traktoren und andere Nutzfahrzeuge darunter hindurchfahren und den Boden bewirtschaften können. Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ergibt sich so eine „Landnutzungseffizienz“ von bis zu 186 Prozent (errechnet aus der normalen landwirtschaftlichen Nutzung, die zu 100 Prozent weitergeführt werden kann und der Energiegewinnung). Positiver Nebeneffekt: In sehr heißen Sommern verhindern die Solarpaneele, dass die Pflanzen übermäßig Wasser verdunsten.

Die Solarzellen passen sich zudem dem Sonnenstand an und „wandern“ mit, um immer die größtmögliche Ausbeute an Solarstrom zu erzielen.

Ob solche „intelligenten“ Anlagen oder die herkömmlicher Bauart: Sobald auf einer landwirtschaftlichen Fläche Energie gewonnen wird, verliert sie ihre bisherigen Status und wird planerisch zur Industriefläche.

Akzeptanzproblem in vielen Kommunen

Wie steht der Städte und Gemeindebund Sachsen-Anhalt als Interessenvertretung der Kommunen zu dem Thema? „Grundsätzlich haben wir das Thema in unserem 'Positionspapier Klimaschutz' als gesellschaftliche Aufgabe angenommen“, sagt Landesgeschäftsführer Bernward Küper. Doch gebe es in vielen Mitgliedskommunen ein „Akzeptanzproblem“, was Photovoltaikanlagen angehe. Sowohl der Flächenverbrauch als auch die Veränderungen des Ortsbildes seien durchaus kritisch zu sehen. Andererseits hat sich auch der Städte- und Gemeindebund dazu verpflichtet, gemeinsam mit der Landesregierung die Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 zu erreichen. (Dass die Bundesrepublik das Ziel mittlerweile in fünf Jahren erreichen will und muss, wird sicherlich noch in die aktuelle Version des Positionspapiers eingearbeitet.)

Doch ob Photovoltaik oder Windkraft: „Die Kommunen müssen an den Einnahmen aus erneuerbaren Energien stärker beteiligt werden“, fordert Bernward Küper. Das, so glaubt er, würde auch zu einer höheren Akzeptanz in den Stadt- und Gemeinderäten beitragen.

Alternative Energien bringen den Kommunen Einnahmen

Ein Satz, den der Bürgermeister der Altmärkischen Wische, Willi Hamann, sicher unterschreiben würde. „Wir dürfen uns nicht länger davor verschließen, Einnahmen aus unseren Flächen zu erzielen“, sagt er. „Auch ein Kilometer Straße ist bei mir 1000 Meter lang. Aber damit hat die Gemeinde nur Kosten.“ Bei Photovoltaikanlagen sei das anders. Nicht nur die Landwirte würden davon profitieren, auch die Gemeinde käme in den Genuss höherer Gewerbesteuern. „Und wenn ich immer höre, dass wir schon genug erneuerbare Energien erzeugen, sage ich ‚Wir kaufen ja auch Autos und andere Produkte, die nicht bei uns hergestellt werden.‘ Das ist immer ein Geben und Nehmen.“

Allerdings dürfte es nicht sein, dass die Strompreise in Regionen wie der Altmark wegen der Erneuerbare-Energien-Umlage ständig steigen, während die Bundesländer mit dem höchsten Energieverbrauch viel weniger zahlen.

Eines dürfte jedoch den meisten klar sein: Der Strom kommt nicht einfach aus der Steckdose. Er kann auch von heimischen Äckern geerntet werden.