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Sprach-Kita Sprache zurück in den Alltag holen

In der Stendaler Kita Johannitersternchen soll die Beteiligung an einem Bundesprogramm den Spracherwerb von Kindern fördern.

Von Anne Toss 31.03.2017, 01:01

Stendal l Es ist ein Fingerzeig, dass gleich fünf Kindertagesstätten in Stendal als Sprach-Kitas vom Bund gefördert werden. Beim Spracherwerb und der Sprachentwicklung von Kindern nehmen die Einrichtungen eine besondere Rolle ein. Hier verbringen die Kinder den Großteil ihres Tages, noch dazu in einem Alter, in dem die sprachliche Bildung besonders wichtig und wirksam ist.

Die Kita Johannitersternchen unter Leitung von Kathrin Lühmann beteiligt sich seit dem vergangenen Jahr am Programm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“. „Die Erzieher beobachten, dass Kinder teilweise einfach gestellte Fragen nicht beantworten können oder, dass das Sprachverständnis nicht mehr altersgemäß ist.“

Eine Erfahrung, die sie mit Carola Quednow teilen. Die gelernte Logopädin übernimmt in dem Programm die Fachberatung und begleitet zurzeit 16 Kitas während der Projektlaufzeit, unter anderem die Kita Johannitersternchen.

Auch sie hat bemerkt, dass sich das Sprechenlernen bei Kindern verändert hat. „Man erkennt es daran, dass viele Kinder vermehrt erst sehr spät zu sprechen anfangen. Oder über einen geringeren Wortschatz verfügen“, sagt Quednow. Bis zum zweiten Lebensjahr sollten Kinder zirka 50 Wörter kennen. Im Gespräch mit den Erziehern stellt sich heraus, dass das oft nicht erreicht wird. „Es ist erschreckend, was Kinder laut der Theorie können müssten. Denn das ist oft nicht der Fall“, merkt eine Erzieherin an.

Warum sich das Erlernen der Sprache bei Kindern verändert hat, darauf gibt es keine einfache oder allgemeingültige Antwort. Aber: „Man beobachtet verstärkt, dass vermehrt Kinder Sprachförderung oder eine Therapie erhalten, die aus ‚bildungsfernen Familien‘ kommen. Der sozio-kulturelle Hintergrund ist also entscheidend“, sagt Quednow.

Sie stellt aber auch klar, dass es nicht darum gehe, dass Eltern ihren Kindern keine Liebe schenken. „Sie wollen für ihr Kind das Beste, können es aber oft nicht umsetzen.“ So komme im Alltag auch das Über- etwas- und Miteinandersprechen zu kurz. „Aus welchen Gründen auch immer, werden viele Kinder oft vor dem Fernseher ‚geparkt‘. Das ist per se nicht schlecht, wenn man es denn begleitet, also zusammen schaut und es danach auswertet“, sagt Quednow.

Die Kita Johannitersternchen besuchen zurzeit 197 Kinder, 40 davon haben einen Migrationshintergrund, das jüngste ist neun Monate alt. „Wir sind keine Brennpunktkita, sondern haben eine gute Mischung. Die Kinder kommen aus allen Schichten“, sagt Lühmann. Daher hat sie gemeinsam mit Daniel Projahn – seine Stelle wird über das Bundesprogramm finanziert – den Schwerpunkt der Arbeit auf alltagsintegrierte sprachliche Bildung gelegt.

„Sich erneut bewusst machen, dass Sprache wichtig ist, sich Zeit dafür nehmen, Gespräche zu führen – das soll wieder ins Bewusstsein von uns rücken“, sagt Lühmann. Gerade Alltagssituationen wie das gemeinsame Tischdecken sollen dafür genutzt werden. „Wir wollen ja nicht nur Defizite aufdecken, sondern alle Kinder in ihrer Entwicklung voranbringen“, merkt Projahn an. In der Kita wird und soll auch weiterhin ständig gesprochen werden – nur eben bewusster.