Sprecherin Brigitte Strullmeier: "Auf einen Haftantrag wird verzichtet" Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Mutter
Die Mutter des im Tangerhütter Rathaus ausgesetzten Kindes wurde Freitag aufgespürt, konnte aber noch nicht vernommen werden. Staatsanwaltschaft und Polizei prüfen weiter Straftatbestände.
Tangerhütte/Stendal l Donnerstagabend, nur wenige Stunden nach dem Auffinden des ausgesetzten Babys im Tangerhütter Rathaus: Im örtlichen Schüler- und Jugendklub findet eine Infoveranstaltung zum Thema "Eltern helfen Kindern statt". In Kooperation zwischen dem Schülerklub und dem DRK-Ortsverein gab es Tipps zur ersten Hilfe bei Babys und Kleinkindern. Junge Mütter, die an dem Abend bereits von dem Findelkind im Rathaus gehört hatten, zeigten sich entsetzt.
"So etwas geht gar nicht! Das ist so schlimm", sagte Ulrike Schwarz, Mutter eines zweijährigen Mädchens. Auch Eileen Wolf-Köppe, Mutter eines vierjährigen Jungen und Leiterin des Schülerklubs sagte: "Ich könnte mir nie vorstellen, dass ich mein Kind dorthin lege und einfach gehe, das muss eine bewusste Handlung gewesen sein."
Jugendamt will Vormund werden
Allerdings plädiert sie auch dafür, zunächst den Hintergrund der Mutter zu beleuchten, bevor man sie verurteilt. "Da muss irgendetwas mächtig schief gelaufen sein, denn Muttergefühle legt man nicht so einfach ab." Für Nadine Kühne, die einen eineinhalbjährigen Sohn hat, ist ganz klar: "Sie hätte das Kind doch lieber in der Babyklappe abgeben sollen!" Stephanie Weber, Mutter eines dreijährigen Sohnes, findet: "So jemand hätte gar nicht erst Kinder bekommen sollen."
Klar ist zumindest: Das Jugendamt Stendal hat am Freitagmorgen die Vormundschaft für das Mädchen beantragt. Eine Entscheidung könnte bereits kommende Woche per Gerichtsbeschluss fallen. Dann erst soll das Kind von Amts wegen auch einen Namen bekommen und in die Bereitschaftspflege gegeben werden. "Das sind geprüfte und zertifizierte Menschen, die Kinder in solchen Fällen in ihre Familie aufnehmen und betreuen", erläutert Sebastian Stoll, der zweite Beigeordnete des Landrates. Selbst wenn sich die Mutter jetzt noch melden sollte, würde das Jugendamt Untersuchungen anstellen. Nicht nur zur tatsächlichen Mutterschaft, sondern auch zu den Ursachen für die ungewöhnliche Tat. Möglich sei später ein Besuchsrecht in Begleitung, räumte Stoll als Leiter des Landkreis-Dezernats II, zu dem auch das Jugendamt gehört, ein.
Immerhin: Dem Mädchen soll es bestens gehen. Dazu dürfte auch das schnelle Auffinden am Donnerstagnachmittag im Rathausfahrstuhl beigetragen haben. Der Säugling war nach Ansicht der Ärzte zum Zeitpunkt des Auffindens nicht älter als eine Stunde, dürfte also am Donnerstag gegen 15 Uhr geboren worden sein. Es nehme bereits Nahrung zu sich, sei gestern zur Sicherheit aber noch an einen Tropf angeschlossen gewesen.
Oberarzt Dr. Burkhard Balischewski sagte, dass er in seiner 30-jährigen Tätigkeit noch kein ausgesetztes Kind behandelt habe. "Das war ein Schreck, als das Mädchen angekündigt wurde", meinte der Oberarzt.
Staatsanwältin Brigitte Strullmeier hat am Freitag erklärt, es werde kein Haftantrag gegen die Mutter gestellt werden. Jedoch würde geprüft, ob es Straftatbestände gibt, kündigte Strullmeier an. Sollte die Anklagebehörde davon ausgehen, dass es sich um eine vorsätzliche Aussetzung handelt, würde der Mutter nach Paragraf 221 des Strafgesetzbuches eine Haft zwischen einem und zehn Jahren drohen.