Bürgerkomitee Sachsen-Anhalt verkaufte gestern Forschungsheft im Stendaler Rathaus Stasi-Spitzel-Dokumentation war nach einer Viertelstunde vergriffen
Mit 72 freiverkäuflichen und einigen bestellten Exemplaren der Dokumentation über Stasi-Spitzel im Gesundheitswesen war das Bürgerkomitee Sachsen-Anhalt gestern nach Stendal gekommen. Innerhalb einer Viertelstunde waren alle Hefte verkauft. Das Komitee verspricht eine Nachauflage und will wiederkommen.
Stendal. Wer gleich um 15 Uhr an der Rathaustür stand, hatte die besten Karten. Eine Viertelstunde später hatten Ute Gramm und Kordula Zollenkopp vom Bürgerkomitee Sachsen-Anhalt die 72 Exem-plare der Dokumentation über Stasi-Spitzel im Gesundheitswesen des Kreises Stendal restlos verkauft. Nur einige bestellte Hefte warteten noch auf ihre Abholer. Etwa 60 Stück des Forschungsheftes Nr. 16 hatte das Komitee schon vor dem Verkaufstermin im Rathaus an Stendaler Besteller verschickt.
Ute Gramm, die das vom Bürgerkomitee ins Leben gerufene Dokumentationszentrum am Magdeburger Moritzplatz leitet, war überrascht von dem großen Andrang. "Wir werden eine Nachauflage drucken und zu einem zweiten Verkaufstermin nach Stendal kommen", versprach sie. Den Termin werde sie rechtzeitig mitteilen.
Der Stendaler Reiner Dreßler war einer derjenigen, der das 524 Seiten dicke Heft unter dem Arm nach Hause trug. Obwohl er nicht im Gesundheitswesen tätig war, interessiert ihn, in welchem Maße die Staatssicherheit dort eindringen konnte. "Ich habe selbst eine Akte von 900 Seiten, die ich in Magdeburg schon eingesehen habe", erzählt er. Auch Dr. Gudrun Mewes, nach der Wende Leiterin des Gesundheitsamtes des Landkreises, erwischte noch ein Exemplar. "Auch wenn ich nicht selbst betroffen bin, ich konnte als Ärztin ungestört arbeiten, interessiert mich doch, was hier damals los war", sagt sie.
Dr. Reinhard Creutzburg, der ab 1989 Pfarrer der Stendaler Petrikirche war, wo die Friedensgebete, Gespräche und Demonstrationen in Stendal ihren Anfang nahmen, kaufte sich gestern ebenfalls die Dokumentation. "Diese ganze Geschichte", ist er überzeugt, "kann auch nach über 20 Jahren noch längst nicht abgehakt werden."
Im 16. Forschungsheft des Bürgerkomitees Sachsen-Anhalt, das zum Selbstkostenpreis von 20 Euro verkauft wird, geht es ausschließlich um inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit im Gesundheitswesen des Kreises Stendal. Autor Ulrich Mielke hat 38 von ihnen enttarnt – neben den Decknamen enthält das Heft, wenn eindeutig nachweisbar, auch die Klarnamen der Spitzel, deren Berichte im Heft abgedruckt werden.
"Hier werden natürlich nur Leute beim Namen genannt, über die wir Belege haben", erklärt der Vorsitzende des Bürgerkomitees Bernhard Notheis, der gestern mit nach Stendal kam. Das Schlimme für ihn: "Dass fast alle ihre IM-Tätigkeit zunächst abstreiten. Manche wollten nicht einmal ihre handschriftliche Erklärung anerkennen."