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Verkauf von Melderegistereinträgen auch an private Kunden Stendal verdient pro Jahr mehr als 30 000 Euro mit Bürgerdaten

Von Lion Grote 11.01.2013, 02:22

Es ist leicht verdientes Geld, doch die Daten sind sensibel. Stendal macht gute Geschäfte mit dem Verkauf von Melderegistereinträgen.

Stendal l Die Hansestadt Stendal nimmt pro Jahr mehr als 30000 Euro durch den Verkauf von Meldedaten ein. Das geht aus einer Anfrage der Volksstimme an die Stadt hervor. Demnach lagen die genauen Einnahmen 2010 bei 38443,37 Euro, 2011 bei 37907,10 Euro und bis Dezember 2012 bei 31253,83 Euro. Geld, das ohne bestimmten Verwendungszweck in den Stadthaushalt geht. Insgesamt werden pro Jahr etwa 25000 Auskünfte erteilt. "Eine genaue statistische Erfassung erfolgt dazu nicht", erklärt Stadtsprecher Klaus Ortmann. Der Landesschnitt an Einnahmen liegt bei etwa 60 000 Euro, wobei Magdeburg und Halle mit jeweils etwa 150000 Euro die Spitzenverdiener sind. Laut Gesetz sind alle Städte berechtigt, Datensätze aus dem Melderegister an private Käufer zu veräußern. Öffentliche Stellen wie Behörden oder die Polizei haben ohnehin kostenfreien Zugriff auf die Daten. Im Melderegister stehen neben Namen, Alter und Adresse auch Informationen zur Religionszugehörigkeit, zu früheren Anschriften oder Familienstand.

"Die momentane Situation ist nicht ideal"

Albert Cohaus, Datenschützer

Nach Auskunft der Stendaler Verwaltung wurden 2012 37,5 Prozent aller Auskünfte an private Kunden erteilt. Darunter fallen neben Krankenkassen auch Inkasso-Unternehmen oder Adressbuchhändler. Der Preis für eine einfache Auskunft liegt in Sachsen-Anhalt bei sechs Euro. Bei Mehrfachabfragen sind Rabatte möglich. Für den Bürger gibt es letztlich nur wenig Kontrolle darüber, was mit seinen Daten passiert. Grundsätzlich muss jeder Bewohner selbst tätig werden, um der Weitergabe seiner Daten zu widersprechen. "Wir würden uns eine andere Regelung wünschen", sagt Sachsen-Anhalts stellvertretender Datenschutzbeauftragter Albert Cohaus. Schon lange setzen sich Cohaus und seine Kollegen dafür ein, dass wie momentan ein Widerspruch eine Erlaubnis des Bürgers Voraussetzung für die Weitergabe der Daten ist. "Die momentane Situation ist sicher nicht ideal", sagt Cohaus. Doch statt die Situation zu verbessern, versucht die Bundesregierung derzeit ein neues Meldegesetz durchzusetzen, was den Verkauf der Daten in Ausnahmefällen auch bei Widersprüchen erlaubt.

Dabei haben in Stendal schon vergleichsweise viele Einwohner von ihrem Widerspruchsrecht gebrauch gemacht. 5519 Einsprüche sind bislang bei der Stadt eingegangen. Das entspricht einer Quote von 13,23 Prozent. Nur die Bürger Halles (15 Prozent) haben häufiger widersprochen. Auch sonst aber muss Stendal den Vergleich mit anderen Städten nicht scheuen. Das nur wenig kleinere Weißenfels beispielsweise verkaufte 2012 nur 5816 Datensätze an private Kunden. In Stendal waren es mehr als 9000. Möglicherweise ein Hinweis auf ein größeres wirtschaftliches Interesse an Stendaler Daten. Bemerkenswert auch die Einnahmen pro Kopf. Etwa 90 Cent verdient die Hansestadt pro Einwohner. Damit liegt Stendal gleichauf mit Düsseldorf.

Datenschützer Albert Cohaus empfiehlt, sich genau zu informieren. "Meldedaten sind Handelsware. Dessen sollte sich jeder bewusst sein und im Zweifel widersprechen", sagt Cohaus. Möglich ist dies über Formulare beim Meldeamt, die auch im Internet abrufbar sind.